Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)
Erde mit Navigationssignalen, anhand derer alles vom Mobiltelefon bis zum Airbus A380s seine genaue Position bestimmen kann.
Wer wissen will, welch unvorhersehbares Potenzial eine emergente Plattform in sich birgt, muss sich nur ansehen, was innerhalb der letzten Jahre aus GPS geworden ist. Das ursprünglich von Guier und Weiffenbach erdachte und später von anderen weiterentwickelte System eröffnete ein ganzes Universum ungeahnter Möglichkeiten. Frank McClure kam auf die Idee, das Verfahren zur Positionsbestimmung von Atom-U-Booten zu verwenden. Dass dasselbe System ein paar Jahrzehnte später Extremkletterern in entlegenen Bergregionen zur Orientierung dienen oder Hobbyfotografen ermöglichen würde, ihre Bilder auf Flickr-Landkarten hochzuladen, konnte er nicht ahnen. Wie zuvor beim World Wide Web zeigte sich auch bei GPS schon bald das immense kommerzielle Potenzial, und viele Wirtschaftsunternehmen beteiligten sich am Ausbau der nötigen Infrastruktur. Alle Voraussetzungen jedoch, die GPS möglich machten – die astronomischen Kenntnisse, die für Satelliten unverzichtbaren Atomuhren sowie Guiers und Weiffenbachs Methode, dem Sputnik nachzuspüren –, kamen aus dem öffentlichen Sektor. Das generative Potenzial der GPS-Plattform spiegelt auf wunderbare Weise die Umgebungwider, aus der sie ursprünglich entstand. Als Guier und Weiffenbach gefragt wurden, wie sie auf die ursprüngliche Idee gekommen waren, schrieben sie ihren Durchbruch eher dem Umfeld im APL zu als ihrem eigenen Talent:
»Das APL war die ideale Umgebung für Youngster, vor allem das Forschungszentrum. Es ermunterte seine Mitarbeiter, ein anstehendes Problem aus allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten, wissbegierige Neulinge konnten ihre Neugier ungehindert befriedigen. Genauso wichtig war, dass ein Youngster, nachdem er einen Anfangserfolg erzielt hatte, sich an die Kollegen wenden konnte, die weit mehr Erfahrung auf dem jeweiligen Gebiet hatten. Und weil die Chefabteilung nur gute Leute einstellte, kannten diese Kollegen sich auch mit Gerätetechnik und Waffen und deren speziellen Erfordernissen aus.«
Auf seine Weise war das APL eine Plattform, die Ahnungen förderte und verstärkte. Wer eine Idee hatte, konnte sich mit anderen darüber austauschen, die über das nötige Fachwissen verfügten. Und aus diesem dichten Netzwerk entstand eine der innovativsten technologischen Plattformen des 21. Jahrhunderts. Das APL war natürlich keine offene Plattform, vieles unterlag der militärischen Geheimhaltung. Hätten Guier und Weiffenbach den Wunsch verspürt, dem Rest der Welt mitzuteilen, was sie über den Sputnik herausgefunden hatten, hätten sie es ohnehin viel schwieriger gehabt als heute (damals waren Computer, so auch der brandneue UNIVAC des Instituts, noch so groß, dass sie einen ganzen Raum ausfüllten). Doch hinter diesen geschlossenen Türen profitierten William Guier und George Weiffenbach von einer Umgebung, die zufällige Begegnungen verschiedener Disziplinen förderte und den beiden »Youngstern« ermöglichte, ihre Karriere auf einer Ideeaufzubauen, über die sie in der Cafeteria gestolpert waren. In den meisten Innovationsbrutstätten gibt es solche Orte. Die Garage, in der sich die Mitglieder des Homebrew Computer Clubs trafen, war ein solcher Ort, Freuds Salon in der Berggasse 19 ebenso und auch die Kaffeehäuser im England des 19. Jahrhunderts. Sie alle waren, wenn auch in kleinerem Maßstab, emergente Plattformen. Die Besitzer dieser Kaffeehäuser wie Edward Lloyd oder William Unwin hatten nicht die Absicht, das moderne Verlags- oder Versicherungswesen zu erfinden, auch technologischer Fortschritt und politische Umwälzungen interessierten sie herzlich wenig. Sie waren Geschäftsleute, die versuchten, ihre Familie zu ernähren, so wie Biber Höhlen für ihre Jungen bauen. Dennoch brachten die von Lloyd und Unwin eingerichteten Orte die Menschen dazu, anders zu denken, weil die dortige Umgebung einen Rahmen bot, in dem unterschiedliche Gedanken aufeinandertreffen, sich verbinden und neu kombinieren konnten.
Die produktivsten Plattformen haben immer mehrere Schichten. Herausragendes Beispiel hierfür ist das World Wide Web. Wir können uns das Netz als eine Art archäologische Ausgrabungsstätte vorstellen, wo sich unter jeder Schicht weitere, übereinandergeschichtete Plattformen befinden. Tim Berners-Lee konnte sein neues Medium im Alleingang entwerfen, weil er die Möglichkeit hatte, es auf den offenen Protokollen
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