Wo immer Du bist, Darling
schluckte, erinnerte sich an das Versprechen, das sie ihm gegeben hatte. Beherzt hob sie das Glas an und nahm gleich mehrere Schlucke.
Carolin nickte zufrieden und rutschte vom Bett. Ehe Anja die Möglichkeit hatte, aufzustehen, kehrte sie mit einer Packung Knäckebrot zurück. »Ich werde nicht locker lassen, bis du drei Schreiben gegessen hast.«
Anja brauchte eine ganze Woche, bis sich ihr geschwächter Organismus so weit erholt hatte, dass sie mit Carolin und Oliver den Heimflug antreten konnte. Der Weg vom Flughafengebäude zur Maschine nach Deutschland kostete sie ihre gesamten Kräfte. Allein der Gedanke, den Kontinent zu verlassen, die Entfernung zwischen ihr und Ramon noch einmal um Tausende Kilometer zu vergrößern, ließ den brüllenden Schmerz in ihrem Herzen ins Unermessliche steigen. Auf der Gangway zur Maschine hielt sie inne und blickte zum Flughafengebäude. Einen Moment überlegte sie ernsthaft, den Weg, den sie gerade gekommen waren, wieder zurückzurennen, sich einfach zu weigern, das Land zu verlassen. Doch was hätte das genutzt? Sie würde Ramon trotzdem nicht wiedersehen und in spätestens fünf Tagen würde sie erneut vor einem Flugzeug stehen – dieses Mal in Begleitung der amerikanischen Behörden, die dafür sorgten, dass sie zwei Wochen nach dem Prozess auch tatsächlich abreiste.
Carolin neben ihr strich ihr mitfühlend über den Rücken. »Lass uns nach Hause fliegen, Anja. Hier kannst du nichts mehr ausrichten.«
Mit Tränen in den Augen nickte sie langsam, dann drehte sie sich um und betrat die Maschine.
*
Als sie in Frankfurt landeten, hatte die deutsche Presse trotz aller Verschwiegenheit von der Geschichte Wind bekommen. Oliver versuchte, Anja mit seinem Körper abzuschirmen, während sie zum Auto gingen.
Durch seinen Job beim Auswärtigen Amt hatte er es zwar schon oft erlebt, wie fanatisch sich Journalisten um eine Story reißen konnten, doch es war etwas erheblich anderes, wenn man die betroffene Person persönlich kannte.
Ohne lange zu fackeln, bugsierte Oliver seine beiden Begleiterinnen in den angeforderten Dienstwagen. Er brauste dem Blitzlichtgewitter und dem Lärm davon und gab erst kurz vor der Autobahn Carolins Adresse ins Navi ein.
Carolin hatte sich in den Fond zu Anja gesetzt und unterhielt sich leise mit ihr. Oliver war froh, dass auf der Autobahn viel Verkehr herrschte und er sich aufs Fahren konzentrieren musste, denn ansonsten hätte er nur darüber nachgedacht, dass er sich bald von seinem Rotschopf und Anja verabschieden musste.
In Heidelberg angekommen, bestand er darauf, dass sich Anja noch einmal von einem Arzt durchchecken ließ, bevor er ihre Wohnungsadresse ansteuerte. Es gefiel ihm nicht, wie still und blass sie immer noch wirkte. Carolin beschrieb ihm den Weg zu Anjas Hausärztin und begleitete ihre Freundin in die Praxis. Es wunderte ihn nicht, dass sie mit der Nachricht zurückkehrten, dass die Ärztin Anja für zwei Wochen krankgeschrieben hatte.
Etwa eine Viertelstunde später erreichten sie Carolins und Anjas Wohnung. Oliver half dabei, die Reisetaschen das Treppenhaus hinaufzutragen. Neugierig betrat er die Dreizimmerwohnung und sah sich um. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen und gab den Blick auf helle Holzmöbel und eine gemütliche Couch mit bunten Kissen frei. Oliver stellte die Taschen neben einer antiken Kommode ab. Schon seit Jahren war er überzeugt davon, dass die Einrichtung viel über den Charakter eines Menschen aussagte. Seine eigene Wohnung erinnerte ihn immer etwas an ein Büro. Asketisch und steril. Diese hier bildete das exakte Gegenteil. Für Anjas und Carolins Heim gab es nur eine treffende Bezeichnung: warm und harmonisch.
Anja berührte ihn am Arm. »Ich glaube, ich werde mich gleich von dir verabschieden. Wenn ich mich erst einmal hingelegt habe, schaffe ich es vermutlich nicht mehr so schnell, das Bett zu verlassen.« Sie griff an seine Seiten und drückte ihn innig an sich. »Vielen Dank, Oliver. Ohne deine Hilfe wäre ich in den letzten Wochen verloren gewesen.«
»Keine Ursache. Das habe ich doch gern getan.« Er traute sich nicht, sie richtig zu umarmen, so zerbrechlich wirkte sie inzwischen. Anja sprach noch kurz mit Carolin, dann zog sie sich in ihr Zimmer zurück.
»Möchtest du vielleicht einen Tee oder etwas anderes?«, erkundigte sich Carolin, als sie wieder neben ihm stand.
Oliver schüttelte langsam den Kopf. »Nein, dafür reicht die Zeit leider nicht. Mein Flieger nach Berlin
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