Wo immer Du bist, Darling
blaue Augen. »Bereit, mein Schatz?«
Er nickte eifrig und erinnerte sie in diesem Moment so sehr an Ramon, dass ihr Herz einen Satz machte. Dieses Mal jedoch nicht vor Kummer, sondern in freudiger Erwartung. Hand in Hand liefen sie die Stufen hinab.
Deutschland, Frankfurt, 30.07.2012, 13:18 Uhr
Zum zweiten Mal in ihrem Leben stand Anja an den großen Glasscheiben des Frankfurter Flughafens und blickte auf die Maschine, in die sie gleich einsteigen würden. Die Situation glich der vor fünf Jahren.
Fast. Lächelnd betrachtete sie ihren Sohn, der an ihrer Hand zappelig umhersprang und den locker fallenden Stoff ihres Sommerkleides aufwirbelte.
Ihr Blick kehrte zu dem Airbus A 340 zurück. Sie würde wieder über den Atlantik fliegen, jedoch mit dem gravierenden Unterschied, dass dieses Flugzeug sie nicht in den Urlaub, sondern in ein neues Leben bringen würde. Der Gedanke verstärkte ihr Herzklopfen. Rasch warf sie einen Blick auf die Uhr. Vor zwei Stunden hatten sie sich von Carolin, Oliver, Marlene und Wolfgang verabschiedet. Sie hatte seit ihrer Trennung von Ramon nicht mehr so viel geweint, auch wenn es diesmal Tränen des Glücks gewesen waren. Ihre besten Freunde zurückzulassen, fiel ihr schwer, aber sie wusste, dass sie sie früher oder später in Kuba besuchen würden.
Als die Flugbegleiterin zum Boarding aufrief, nahm sie einen tiefen Atemzug. Beherzt schritt sie durch den schmalen Gang auf das Flugzeug zu, während Adrian weiterhin aufgeregt an ihrer Seite hüpfte. Anja straffte die Schultern. Nicht einmal die schlimmste Platzangstattacke würde sie davon abhalten, in diese Maschine zu steigen.
Sie trat in den Innenraum, nur um festzustellen, dass sich ihre Furcht wie beim Flug zu Thaddeus Baker in erträglichen Grenzen bewegte. Wahrscheinlich war sie genau wie damals schlicht zu aufgedreht, um noch Platz für Phobien zu haben.
Im Gegensatz zu ihrer ersten Reise schlief sie auf diesem Flug keine einzige Minute. Ihre ständig um Ramon kreisenden Gedanken hielten sämtliche Müdigkeit fern.
Liebevoll blickte sie auf Adrian, dessen kleiner Körper entspannt in ihren Armen lag. Nachdem er alles, was man an einem Flugzeug bestaunen konnte, ausgiebig erkundet hatte, war er schließlich eingeschlummert. Wie Ramon wohl reagieren würde, wenn er erfuhr, dass sie einen Sohn hatten?
Sie seufzte. Am liebsten wäre sie ins Cockpit gestürmt und hätte den Kapitän angefleht, doch bitte schneller zu fliegen.
Kuba, Guantanamo, 30.07.2012, 16:30 Uhr
Als die Maschine endlich in Guantanamo landete, war Anja ein einziges Nervenbündel. Allein die Aussicht, Ramon bald zu treffen, hielt sie noch aufrecht.
Die letzten Tage waren auf gewisse Weise genauso zermürbend gewesen wie ihr Aufenthalt in Mariposa, als sie darauf gewartet hatte, ein letztes Mal mit ihm sprechen zu können. Doch dieses Mal ging sie nicht von ihm weg, sondern zu ihm hin.
Sie marschierte mit Adrian in Richtung des Mietwagenverleihs, den Carolin via Internet ausfindig gemacht hatte. Es herrschten angenehme achtundzwanzig Grad und die Nachmittagssonne schien golden auf sie herab. Ohne Schwierigkeiten holten sie den Wagen ab und brachen unverzüglich nach Tortuguilla auf.
Anja staunte über das paradiesische Flair der Insel. Überall wuchsen Palmen, es gab fruchtbare Felder und viele bunte Blumen, allumfassend überspannt von einem makellos blauen Himmel.
Adrian zeigte immer wieder begeistert auf den einen oder anderen Oldtimer, weil er derart alte Fahrzeuge noch nie gesehen hatte. Obwohl es ihr unendlich schwerfiel, machte sie, auch mit Rücksicht auf ihren Sohn, ausreichend Pausen. Niemandem war geholfen, wenn sie so kurz vor dem Ziel noch zusammenklappte.
Nicht weit entfernt von Tortuguilla fuhren sie erstmals an der Küste entlang und konnten einen atemberaubenden Blick auf das türkisblaue, von feinem Sandstrand umsäumte Meer werfen.
Nach der Karte, die sie sich besorgt hatte, lag Ramons Adresse etwas außerhalb der Ortschaft direkt an einer malerischen Bucht.
Als sie ein letztes Mal anhielt, um das restliche Stück des Weges zu überprüfen, flatterte die Landkarte in ihren Händen so stark, dass Anja nichts mehr lesen konnte. Sie legte den Plan kurzerhand auf die Motorhaube und versuchte, die aufkeimenden Tränen zu besiegen.
Gott sei Dank bekam ihr Sohn von alldem nichts mit. Adrian schlief. Erschöpft vom langen Flug und den vielen neuen Eindrücken war er irgendwann eingenickt. Dafür war Anja wirklich
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