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Wo immer Du bist, Darling

Wo immer Du bist, Darling

Titel: Wo immer Du bist, Darling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Stefanie Hoell
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Löcher in die Dachbalken. Verdammtes Bein! Es passte ihm nicht, dass sie alles allein tun musste. Noch kein einziges Mal hatte sie sich beklagt oder eine Aufgabe abgelehnt. Er hatte wirklich ganz schön Glück, dass sie mit ihm hier war. Die Arme hinter dem Nacken verschränkt, dachte er über die Frau nach, die er so sehr liebte.
    Plötzlich donnerte ein Schuss durch den Wald.
    Ramon schnellte hoch.
    Anja! Sie war in Schwierigkeiten!
    Schreckensvisionen entstanden vor seinen Augen. Er musste sofort zu ihr. Egal, wie.
    Ohne sich um seine Wunde zu kümmern, kämpfte er sich aus dem Bett und wickelte hastig die Decke um die Hüften. Auf die Krücke gestützt arbeitete er sich mit zusammengebissenen Zähnen in Richtung Tür vor. Der Schreck pumpte Adrenalin durch seine Adern und ließ ihn Unmögliches leisten. Er streckte gerade die Hand nach dem Holzgriff der Tür aus, als diese von außen schwungvoll geöffnet wurde.
     
    *
     
    »Ramon!« Anja stoppte abrupt. »Was um Himmels willen machst du hier?« Sie registrierte erst, wie erleichtert er aussah, als er sich gegen den Türrahmen lehnte.
    »Ich habe einen Schuss gehört.«
    »Ich bin mit dem Gurt an einem Ast hängen geblieben und versehentlich an den Abzug gekommen«, gestand sie kleinlaut. »Entschuldige. Ich wollte dich nicht beunruhigen.«
    Ramon stützte das Kinn auf ihren Scheitel. »Schon gut, macht nichts.«
    Anja legte unbedacht ihre kalten Hände auf seine nackten Schultern, was ihn erschaudern ließ. Unvermittelt wurde ihr klar, dass Ramon nur mit der dünnen Decke um die Hüften quasi im Freien stand.
    Sie drängte ihn zurück in die Hütte. Bis sie ihn zum Bett bugsiert hatte, zitterte er vor Anstrengung.
    Fluchend legte er sich wieder hin. »Ich schwöre dir, wenn ich das nächste Mal einen Bären sehe, ziehe ich ihm das Fell über die Ohren.«
    Anja sah mitfühlend auf ihn hinab und setzte sich neben ihn. »Ohne Frage.« Sie drückte ihm einen aufmunternden Kuss auf die zusammengekniffenen Lippen. »Ruh dich eine Weile aus. Ich werde solange die nassen Kleider aufhängen.«
     
    *
     
    Während Anja die Wäsche über die Leine beim Kamin warf, grübelte Ramon über seine miesen Gehversuche nach. Er gab es nicht gern zu, aber er hatte sich verschätzt. Gewaltig. Das Pochen in seinem Bein erinnerte ihn daran, dass er bei Weitem noch nicht so weit genesen war, wie er angenommen hatte. Wenn er nicht aufpasste, würde er die Sache nur verzögern und das wollte er Anja nicht antun. Ganz im Gegensatz zu ihr hatte er schon fünf Winter in dieser Gegend mitgemacht. Das war kein Weihnachtsmärchen, sondern bitterer Ernst.
    Egal, wie angegriffen er sich fühlte, sie würden in spätestens zwei Wochen aufbrechen. Sie mussten aus dem Wald hinaus, ehe eine tiefe Schneedecke jeden Schritt zur Qual werden ließ.
    Anja hatte inzwischen ihre Arbeit beendet und schlüpfte neben ihm unter die Decke. Auf die Ellbogen gestützt, sah sie ihm forschend ins Gesicht. »Und, was macht dein Bein?«
    Es hatte keinen Zweck, zu lügen. »Geht so. Morgen versuche ich es noch mal.«
    Und am Morgen danach wieder, denn es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es anfangen würde zu schneien.
     
    *
     
    Anja ahnte, dass Ramon den Schmerz vom Vortag immer noch spüren musste, trotzdem stand er zäh wieder aus dem Bett auf.
    Langsamer als beim ersten Mal, aber unvermindert ehrgeizig, absolvierte er die Strecke zum Tisch und zurück.
    Zwei Tage später schaffte er es sogar ohne Krücke. Sie half ihm, so gut sie konnte, achtete aber stets darauf, dass er sich nicht zu viel zumutete.
    In ihrem Tagesablauf spielte sich ein gewisser Rhythmus ein. Anja war erstaunt, welche Routine sie in den täglichen Aufgaben, selbst im Holz hacken, bekam. Überrascht stellte sie fest, wie zufrieden das spartanische Leben sie machte. Es gab keine Termine, um die man sich kümmern musste, keine gesellschaftlichen Verpflichtungen, keine nächtlichen Anrufe aus dem Krankenhaus.
    Eines Abends nahm sie das lockere T-Shirt vom Stuhl, das sie schon vor Tagen im Schrank entdeckt hatte und nachts statt des Hemdes trug. Mehr brauchte sie zum Schlafen nicht. Durch Ramons warmen Körper an ihrer Seite fror sie ohnehin nie.
    Sie streifte es über und benutzte das restliche Wasser in der Schüssel, um sich mit dem minzigen Zahnpulver die Zähne zu putzen, dann löste sie das Band aus ihren Locken und legte es auf ein schmales Wandboard. Ihre Finger streiften das alte Zeitungspapier unter ihrem Vorrat an

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