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Wo ist Thursday Next?

Wo ist Thursday Next?

Titel: Wo ist Thursday Next? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Fforde
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treffen.«
    Behutsam nahm ich den Zettel, den sie mir hinhielt. Dass Commander Herring mich
persönlich
anrief, war schon etwas Besonderes.
    »Sonst noch was?«
    »Ihre neue Zweitbesetzung möchte sich bei Ihnen verstellen.«
    Das war eine gute Nachricht. Meine Bücher sind nun mal Ich-Erzählungen, und wenn ich jenseits der gelegentlichen Lesungen noch ein Privatleben   – wie meine seltenen Treffen mit Whitby   –oder gar einen Zweitberuf haben wollte, brauchte ich unbedingt jemanden, der mich vertrat.
    Beschwingten Fußes ging ich ins Wohnzimmer. Meine potenzielle Stellvertreterin sah sehr nett aus. Sie hatte sich sogar bemüht, ein bisschen so auszusehen wie ich, und trug bereits das typische Thursday-Next-Outfit. Sie wollte diesen Job offenbar unbedingt haben.
    »Ich bin die geschriebene Thursday Next«, sagte ich und schüttelte ihr die Hand.
    »Carmine O’Kipper«, erwiderte sie mit einem ängstlichen Lächeln. »ID: A4   -   5619   -   23.   Ich bedanke mich sehr für die Einladung.«
    »Sie sind eine A4, Miss O’Kipper?«
    »Nennen Sie mich Carmine. Ist das ein Problem?«
    »Ganz im Gegenteil.«
    Eine A 4-Figur stand theoretisch nur drei Stufen unter einer Jane Eyre oder einer Scout Finch. Um eine Ich-Erzählung bestreiten zu können, musste man natürlich Kategorie A sein, aber keine meiner anderen Zweitbesetzungen war jemals höher als A9 gewesen.
    »Sie sind mindestens eine A2, nicht?«, fragte sie.
    »So etwas in der Art«, erwiderte ich. »Sie kennen die Serie?«
    »In meinem Sammelalbum habe ich
alles
über die reale Thursday Next gesammelt, was ich nur kriegen konnte. Ich bin ein richtiger Fan.«
    »Also, wenn Sie hier sind, um sie persönlich kennenzulernen oder sie auch nur aus der Ferne zu sehen   – das vergessen Sie lieber gleich. Kurz nach dem Großen Remake war sie einmal da, aber seither ist sie nicht mehr gesehen worden.«
    »Mir geht es nur um ernsthafte Arbeit, Miss Next.«
    Sie gab mir ihren Lebenslauf. Er war weder sehr lang noch sehr eindrucksvoll. Sie stammte aus einem Originalmanuskript, das irgendwo im AußenLand unveröffentlicht in einer Schublade lag. Sie hatte offenbar ein gutes Händchen für Verlust, Liebe und Unsicherheit, und ihr Verrat war anscheinend Spitze. Eigentlich garkeine schlechte Rolle, die sie da gehabt hatte. Aber nach fünfzehn Jahren ohne Leser war es natürlich Zeit, sich nach etwas anderem umzusehen.
    »Ja   … warum wollen Sie in meiner Serie arbeiten?«
    »Ich möchte eine neue anregende Aufgabe übernehmen«, sagte sie munter. »Wenn ich weiterkommen will, brauche ich eine Herausforderung und ein Buch, in dem ich von einem echten Profi lernen kann.«
    Das war der übliche Schwachsinn und beeindruckte mich überhaupt nicht. »Sie kriegen doch überall eine Rolle«, sagte ich und gab ihr ihren Lebenslauf zurück. »Warum kommen Sie ausgerechnet zum spekulativen Ende der Fantasy?«
    Sie biss sich auf die Lippen und starrte mich an. »Bisher bin ich immer nur von einer Person gleichzeitig gelesen worden«, gestand sie. »Ich war ja in einem Originalmanuskript. Aber neulich hatte ich einen kurzen Auftritt als Dulcinea-Stellvertreterin in einer Reader’s-Digest-Ausgabe des
Don Quijote
, und als die Leserzahl über sechsundzwanzig ging, hatte ich eine Panikattacke und musste auf den Snooze-Knopf drücken.«
    Ich hörte, wie Mrs Malaprop in der Küche eine Tussi fallen ließ. Aber ich selbst war auch ziemlich schockiert. Der Snooze-Knopf war nur für extreme Notfälle reserviert, wenn man sich gar nicht mehr anders zu helfen wusste. Wenn man den Knopf drückte, entzogen die BildübertragungsMaschinen den Lesern mit Hilfe eines Umkehr-Kondensators jegliches Vorstellungsvermögen, was unweigerlich zu starker Müdigkeit, Gähnen und Einschlafen führte. Einfach und schnell   – und die Leser merkten gar nicht, dass etwas nicht stimmte.
    »Sie haben tatsächlich den Snooze-Knopf gedrückt?«
    »Ich wurde rechtzeitig gestoppt.«
    »Da bin ich aber froh.«
    »Ich auch. Rosinante hat dann meine Rolle übernommen. Sie hat ziemlich gut gespielt, muss ich sagen.«
    »Hat Don es gemerkt? Ich meine, dass Rosinante Ihre Rolle übernommen hat?«
    »Nein.«
    Carmine war genau richtig für mich. Überqualifizierte Zweitbesetzungen blieben meist nicht sehr lange, weil sie ständig was Besseres suchten. Aber wenn sie unter einer ernsten Leserphobie litt, würden die niedrigen Leseraten ihr gerade recht sein. Ihre Bereitschaft, aus nichtigem Anlass den Snooze-Knopf

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