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Wo ist Thursday Next?

Wo ist Thursday Next?

Titel: Wo ist Thursday Next? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Fforde
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damit, einen großen Ballon mit Atmosphäre aufzuschlitzen. Sie entwich wie ein Mückenschwarm und bedeckte den ganzen Roman mit einer subtilen Aura. Es war sehr stilvoll und vornehm.
    »Hallo! Guten Morgen!«, sagte ich zu den Figuren, die verwirrt im Hof herumstanden und einen Haufen unrealistischer Träume im Kopf hatten. »Bestes Debüt der Saison« träumten sie oder »ein fester Platz im Herzen der Leser« und so weiter. Sie standen kurz vor ihrer Veröffentlichung, sollten bald zum ersten Mal gelesen werden und waren dementsprechend aufgeregt, ängstlich und durcheinander. Sie brauchten unbedingt Zuspruch und Führung, und ich war heilfroh, dass ich nicht in ihrer Haut steckte.
    »Mein Name ist Thursday Next. Ich wollte bloß mal vorbeischauen, um Sie hier in der Nachbarschaft zu begrüßen.«
    »Das ist eine große Ehre für uns, Miss Next«, sagte der König. »Willkommen im
Castle of Skeddan Jiarg.
Wir haben schon viel von Ihren Abenteuern in der BuchWelt gehört, und im Namen des ganzen Ensembles möchte ich   …«
    »Die bin ich nicht«, sagte ich rasch, ehe das alles zu peinlich wurde. Ich habe schon so oft dementieren müssen, die
reale
Thursday Next zu sein, dass ich mir manchmal wie ein Papagei vorkomme. Bisweilen habe ich eine ganze Woche lang nichts anderes getan.
    »Ich bin bloß die
geschriebene
Thursday Next«, sagte ich.
    »Ah«, sagte einer der verschiedenen Zauberer, Druiden, Magier und Hexer, die im Hof herumwimmelten. »Dann gehören Sie wohl gar nicht zur Jurisfiktion?«
    »Na ja, ich habe mal ein Vierundzwanzig-Stunden-Probetraining gemacht«, sagte ich. Das war immer noch etwas, worauf man sehr stolz sein konnte, auch wenn man zum aktiven Dienst nichtzugelassen worden war. Nur sehr wenige Kandidaten schaffen es, in diese Elite-Einheit aufgenommen zu werden. Ich war nicht zäh genug dafür, aber das war nicht meine Schuld. Ich war ja so geschrieben worden, dass ich viel weicher und freundlicher war. Ich war die Thursday, die Thursday gern sein wollte. Leider bedeutete das auch, dass ich zu viel Empathie hatte, um mich in der gefährlichen, dynamischen BuchWelt als knallharte Jurisfiktion-Agentin behaupten zu können.
    Sie nickten freundlich und erwiderten meinen Gruß, aber es war deutlich, dass sie das Interesse verloren hatten. Ich fragte, ob ich Carmine ihr Buch zeigen dürfte, und sie hatten keine Einwände. Also wanderten wir in die Große Halle mit ihren wuchtigen Balken, weiß gekalkten Wänden, flackernden Fackeln und Steinplatten. Einige der kleineren Requisiten waren allerdings nur aus Pappe ausgeschnitten und eine Obstschale war sogar nur ein gelbes Post-it, auf dem das Wort »Obstschale« stand.
    »Warum bloß ein Post-it?«, fragte Carmine. »Warum haben sie keine richtige Obstschale?«
    »Jeder Roman«, sagte ich, »hat aus ökonomischen Gründen nur so viel Beschreibung wie unbedingt nötig. Früher wurden Bücher oft bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, aber das war noch in den Zeiten von BLB.«
    »BLB?«
    »Begrenzte LeserBildung. Heute werden die Leute von den Medien mit solchen Massen an Informationen gefüttert, dass sie die weniger ausgearbeiteten Details eines Textes mühelos selbst ergänzen.«
    »Das Feedback?«
    »Genau. Sobald der Leser anfängt zu lesen, spült ihm das Feedback seine eigene Interpretation der Geschichte ins Buch. Bis vor einigen Jahrzehnten wurden manche Bücher fast ausgelesen, das heißt, die Leser nahmen so viel daraus mit, dass die Bücher durch Überlesen völlig ausgeräumt wurden. Am Schluss waren sie nur noch öde und kahl. Aber seit Erfindung der Feedback-Schleife bleiben die Bücher beim Lesen fast unversehrt, es gibt praktischkeine Abnutzung mehr, und viele Leser bringen sogar noch eigenes Material mit, um die Bücher mit ihrer Interpretation auszuschmücken. War das gerade ein Kobold?«
    Ich hatte ein kleines Geschöpf mit spitzen Ohren und scharfen Zähnen entdeckt, das hinter einem Sessel hockte und uns beobachtete.
    »Sieht so aus, ja.«
    Ich seufzte. Jetzt hatte Pickwick einen neuen Grund, sich zu beschweren.
    »Wie ist Thursday eigentlich so?«, fragte Carmine.
    Das wurde ich oft gefragt.
    »Sie kennen wahrscheinlich die ganzen Geschichten?«
    Sie nickte. Die meisten Leute hatten die Geschichten gehört. Mehr als fünfzehn Jahre hatte Thursday Next für Jurisfiktion gearbeitet und wie ein fahrender Ritter die Gefilde der BuchWelt durchstreift. Frieden und Gerechtigkeit hatte sie bis an die Grenzen der Prosa verteidigt. Den

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