Wo ist Thursday Next?
zu drücken, beunruhigte mich allerdings etwas. Um den Missbrauch einzudämmen, hatte der GattungsRat bekannt gemacht, dass jedes Mal, wenn der Snooze-Knopf gedrückt wurde, irgendwo in der BuchWelt ein bis zwei Kätzchen ertränkt wurden. Das genügte in der Regel zur Abschreckung.
»Okay«, sagte ich. »Sie haben den Job. Unter einer Bedingung: Ich werde Ihnen den Zugangscode für unseren Snooze-Knopf nicht verraten. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
»Sehr gut. Und wie viel Lesezeit haben Sie bisher?«
»Also, außerhalb meines eigenen … Buches insgesamt siebenundachtzig Seiten.«
Das war ein erschreckend niedriger Wert. Ein einziger neugieriger Leser, der ein bisschen mehr wissen wollte und nach verborgenen Bedeutungen suchte, würde sie innerhalb von zwei Sekunden zum Stottern bringen.
»Ziehen Sie Ihre Jacke an und stecken Sie sich ein Notizbuch ein«, sagte ich. »Wir müssen bei den neuen Nachbarn vorbeischauen, und es gibt auch einiges zu besprechen.«
3.
Carmine O’Kipper
Der Tourismus ins AußenLand war schon seit langem verboten, und sogar Jurisfiktion-Mitglieder, die zur Elite der BuchWelt-Sicherheitskräfte gehörten, durften die Grenze zur RealWelt nicht mehr überschreiten. Die Gründe dafür waren zahlreich und äußerst umstritten, aber in einem war man sich einig: Die Wirklichkeit war eine Schlangengrube und steckte voller Gefahren für Unvorsichtige. Wenn man zu atmen vergaß, die Schwerkraft nicht richtig berechnete, den falschen Gott oder das falsche Fußballteam unterstützte, wurde man ratzfatz in einem Zinksarg nach Hause geschickt.
Bradshaws Führer zur BuchWelt
Ich nahm meinen Pager von der Kommode und steckte ihn mir an den Gürtel, damit Mrs Malaprop mich jederzeit erreichen konnte, wenn unversehens ein Leser auftauchte, dann verließen wir den Roman durch den Hauptausgang und gingen die Straße hinunter. Die schöne neue Geografische BuchWelt war tatsächlich so geografisch, wie der Name besagte, und unsere Umgebung sah aus wie eine normale Wohngegend im AußenLand. Zwischen den Büchern verlief eine richtige Straße mit Bürgersteigen, grasbewachsenen Rändern, Hydranten und Bäumen. Links und rechts lagen Anwesen mit kompletten Romanen, einschließlich sämtlicher Schauplätze. Auf einem davon stand ein verkleinerter Kilimandscharo und auf einem anderen ein dichter Bambuswald. Auf einem dritten war ein Gewitter mit Blitz und Donner in Gang.
»Wir sind direkt an der äußersten Grenze der Fantasy«, sagte ich. »Geradeaus geht’s zum Menschlichen Drama und rechts findenSie Comedy. Mittwochs kann ich Ihnen freigeben, aber sonst müssen Sie mit ständigem Bereitschaftsdienst rechnen.«
»Je mehr Ich-Erzählung ich machen kann, umso besser«, sagte Carmine. »Was kann man denn hier in der Freizeit so anstellen?«
»Jede Menge, wenn man Fantasy mag«, sagte ich. »In eine andere Gattung zu gehen würde ich aber nicht empfehlen, denn die Grenzbeamten sind ziemlich stur, und wenn Sie sich gerade woanders aufhalten, während Sie bei uns gebraucht werden, kann das leicht Ärger geben. Ach ja, noch etwas: Bitte tun Sie nichts, was mein Dodo missbilligen könnte.«
»Was wäre das denn zum Beispiel?«
»Ach, die Liste ist endlos. So, da wären wir.«
Wir befanden uns auf einem kleinen Hügel, wo man freundlicherweise eine gemütliche Bank aufgestellt hatte. Von diesem Aussichtspunkt konnte man fast die ganze Insel überblicken.
»Das ist sehr eindrucksvoll!«, sagte Carmine.
Es gibt praktisch keinen Dunst in der BuchWelt, und da unsere Insel ebenso wie alle anderen leicht nach innen gekrümmt ist, konnten wir bis weit nach Norden hinaufsehen, wo die umstrittene Grenze zwischen den Scharfen Romanen und der FemLit lag. Sogar die unerforschten Bösen Wälder waren noch gut erkennbar.
»Das ist der Metaphoric«, erklärte ich und zeigte auf den schimmernden, gemächlich dahingleitenden Wasserlauf mit seinen vielen Mäandern, Altwässern, Seitenarmen und Sümpfen, der in einem mächtigen Delta ins Wörtermeer strömte und die Millionen von Büchern an seinen Ufern mit erzählerischen Zweideutigkeiten und zahllosen überflüssigen Wörtern versorgte. »Östlich von den Scharfen Romanen liegt übrigens das Gebiet der Überholten Religiösen Lehren, kurz Dogma.«
»Warum sind die denn nicht in der Non-Fiktion?«, fragte Carmine.
»Das ist eine der großen Fragen«, sagte ich. »Man hat sie aus der Theologie rausgenommen, weil sie ›in einem modernen Zusammenhang
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