Wo Licht im Wege steht
Jasper, 226, Korreander Street. Ein Mann, der sie vielleicht zu betrügen versucht. Alter 35 Jahre, gut gekleidet, meist graue, doppelreihige Anzüge, sehr schmales, bleiches Gesicht, nervöses Lachen. Raucht die Zigaretten aus einer langen Elfenbeinspitze. Solange er nicht lacht, angenehmes Profil, sonst strenge Züge um den Mund. Hartes Lachen.< Es war, als habe sich Bertha dann plötzlich meiner ewigen Mahnungen erinnert, daß ich exakte Angaben über die Personen haben müsse, die ich beobachten sollte. Sie schrieb in steilen Schriftzügen: >Außerdem ist er fünf Fuß groß, wiegt etwa 150 Pfund, hat schwarze Haare und graue Augen.<
Nun waren auch die 175 Dollar durchgestrichen. Dafür stand die Zahl 200 dort. >Der Betreffende hat eine Verabredung um vier Uhr nachmittags im Hause Korreander 226.<
Weiter unten stand in sauberster Handschrift das, was Bertha an dem ganzen Fall am meisten interessierte: »Scheck über 200 Dollar erhalten!<
Diese Aufzeichnungen befanden sich auf der Rückseite eines herausgerissenen Kalenderblattes. Sicherlich hatte Bertha beabsichtigt, diese Notizen später der Sekretärin zu diktieren. Da die Klientin aber kurz vor Büroschluß erschienen war, hatte sie keine Zeit mehr dazu gefunden.
Am Nachmittag war ich kurz vor vier Uhr vor dem Haus Korreander 226, einer alten, ehrwürdigen Villa, erschienen. Ich brauchte nicht lange zu warten. Er kam pünktlich und sah genauso aus, wie man ihn beschrieben hatte. Um 17.10 Uhr verließ er das Haus wieder. Er trug einen grauen doppelreihigen Anzug von gutem Schnitt. Und selbst die Zigarette steckte vorschriftsmäßig in einer eleganten Spitze. Sein Besuch bei der Tante hatte genau eine Stunde und zehn Minuten gedauert.
Dann war ich ihm nachgefahren. Ich hielt mich so, daß er mich nicht im Rückspiegel seines Wagens beobachten konnte. Oft ließ ich ihn ein Stück vorausfahren, aber ich behielt ihn stets im Auge. Es schien mir, als zeige er nicht das geringste Interesse für das, was hinter ihm vorging.
Und trotzdem war nun dieser Mann in derselben Nacht aus seinem Hotel ausgezogen. Wenige Stunden, nachdem ich ihm gefolgt war. Er mußte es gespürt haben, daß jemand hinter ihm her war. Eine andere Erklärung gab es jedenfalls im Augenblick nicht dafür. Aber diese Erklärung ärgerte mich maßlos. Sie verletzte das, was Bertha meine verdammte Einbildung zu nennen pflegte. Denn ich hatte mir tatsächlich immer etwas auf meine psychologische Begabung eingebildet. Ich war bisher so sicher, daß ich es rechtzeitig erkennen würde, wenn sich jemand verfolgt fühlte. Diese Einstellung mußte ich nun wohl gründlich revidieren. Aber eines war sicher: Mr. Durham würde mir in Zukunft nicht mehr entkommen. Soweit es in diesem Fall überhaupt ein >zukünftig< geben sollte.
Besonders typisch an Berthas Niederschrift war, wie sie, während des Gesprächs mit der Klientin, langsam, aber mit System den Preis hinaufgeschraubt hatte. Es hätte kaum einen besseren klinischen Bericht über Berthas Seelenzustand geben können als dieses Stück Papier. Zwar waren viele Zahlen darauf gemalt, aber sie bedeuteten nur Dollars! Die Telefonnummer der Klientin konnte ich hingegen nicht entdecken, auch kein Wort über ihre privaten Verhältnisse. Nachdem Bertha ihre 200 Dollar einkassiert hatte, war für sie der Fall abgetan. Alles weitere überließ sie mir.
Unter dem Namen Bushnell stand im Telefonbuch kein einziger Teilnehmer. So blieb mir nichts anderes übrig, als in die Garage hinunterzufahren und unseren alten Agenturwagen flottzumachen. Es war Nummer >zwei<.
Nummer >eins< war ein neuer Wagen, und Bertha richtete es nieist so ein, daß sie ihn fuhr. Nummer zwei war ein unbeschreiblich alter Karren, aber immerhin, er fuhr noch. Und vor allem, er hatte Geschichte! Er war bereits über hunderttausend Kilometer gefahren, war anderen Wagen nachgeschlichen, hatte Ehemänner Verfolgt, die ihren jeweiligen Liebchen erzählten, wie wenig sie von ihren Frauen verstanden wurden. Er hatte Zeugen herbeigeschafft und auch manche wilde Jagd in Mordfällen überstanden.
Ich ließ den Motor an und wartete eine Weile, bis er sich warm gelaufen hatte. Dann fuhr ich los, um Claire Bushnells Wohnung ausfindig zu machen.
Veronica Way 1624 entpuppte sich als Apartmenthaus. Unter den vielen Schildern fand ich auch den Namen von Claire Bushnell. Er stand auf einer ausgeschnittenen Visitenkarte, die in einem zierlichen Blechrahmen über dem Klingelknopf steckte. Ich
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