Wo Licht im Wege steht
Gleichgültigkeit sich selbst und seiner Umgebung gegenüber.
»Sie sind Lam?« fragte er.
»Jawohl«, antwortete ich und streckte ihm meine Hand entgegen.
»Bertha Cools Partner?«
Ich nickte.
»Kommen Sie herein«, sagte Elgin.
Eigentlich war es ein Doppelapartment. Wenn man das nebenan liegende Schlafzimmer nach diesem Wohnraum beurteilen durfte, mußte es gerade Platz für ein Bett und einen Ankleideschrank haben, notfalls noch für eine Badezimmertür. In dem Wohnzimmer standen eine Couch, ein Tisch und zwei Stühle auf einem reichlich abgetretenen Teppich. An den Wänden hingen einige Bilder, und die Fenster wurden von altmodischen Spitzenvorhängen umrahmt. In der einen Ecke war eine winzige Kochnische eingebaut. Darüber hingen zwei schmale Geschirrkästen. In dem Spülbecken lagen schmutzige Teller, und auf dem Tisch im Wohnzimmer standen noch zwei gebrauchte Gläser mit Wasserresten herum. Der Aschenbecher war voll mit Zigarettenstummeln. Trotz des weitgeöffneten Fensters hing noch der abgestandene Geruch von Zigarettenqualm und Alkohol in der Luft. Auf dem Tisch lag eine Nummer der Zeitschrift >Variete<. Die Sonntagszeitungen waren noch zusammengefaltet. Es schien, daß Elgin sie erst nach Berthas Anruf aus dem Briefkasten genommen hatte. Immerhin war er bereits rasiert, und seine schwarzen Haare waren mit Pomade glatt nach hinten gekämmt.
»Setzen Sie sich«, sagte er, »und machen Sie’s sich bequem. Das Zimmer sieht zwar noch wüst aus, aber wir haben gestern abend noch ein bißchen gebechert, bevor wir schlafen gingen.«
Ich nickte verständnisvoll und nahm Platz.
Elgin mußte so um die Fünfzig sein, er war schlank, mit sehr schmalen Hüften, aber verhältnismäßig breiten Schultern. Seine dunklen Augen standen weit auseinander. Er hatte die Angewohnheit, die Augenlider halb geschlossen zu halten und den Kopf in den Nacken zurückzulegen. Das gab seinem Gesicht jenen gelangweilten Ausdruck, der besagte, daß ihn so leicht nichts interessieren und erschüttern könne.
»Ich vermute, Sie kommen immer recht spät nach Hause«, begann ich unser Gespräch.
»Meistens erst kurz vor Tagesanbruch.« Der gequälte Ton, in dem er dies sagte, drückte aus, wie er darüber dachte.
»Wenn ich richtig verstand, so schmeißen Sie den ganzen Laden im >Cabanita< allein?« fuhr ich fort.
Er machte eine kleine, abwehrende Handbewegung, nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette und blies den Rauch aus den Nasenlöchern. »So schwierig ist das nun auch nicht.«
»Gehört das Lokal Ihnen?«
»Ich habe es gepachtet.«
»Haben Sie dort ein Stammpublikum?«
»Nein, es ist ein gutgehender Betrieb, aber ohne Stammpublikum. Wollen Sie den Saftladen kaufen?«
»Nein, es interessiert mich nur, wie so etwas läuft.«
»Natürlich sehen wir immer wieder mal die gleichen Gesichter«, gab er zu, »aber bei Lokalen solcher Art muß man versuchen, ein größeres Publikum zu gewinnen. Sehen Sie«, fuhr er fort, »wenn ich oben stehe und meine Conference mache, fange ich an, über irgend was zu reden. Ich spreche sehr schnell, und bevor bei den Leuten der Groschen fällt, daß ich etwas Zweideutiges gesagt habe, rede ich schon wieder weiter, ohne auf die Lacher zu warten. -Wenn dann das erste Kichern aufklingt - erst dann halte ich an, schaue überrascht hinunter - und dann gibt es meist einen tollen Lacherfolg.«
»Den Frauen gefällt das?«
»Sie fressen es, sage ich Ihnen! Frauen, die Ihnen eine herunterhauen würden, falls Sie es versuchten, in privatem Kreis etwas Ähnliches zu erzählen, sitzen amüsiert in der ersten Reihe dieses wüsten Ladens und lachen sich krank über meine Geschichten. Und die streifen wirklich oft hart die äußerste Grenze... Aber nun sagen Sie mal, was wollen Sie eigentlich von mir?«
»Ich wollte Sie nach einer Frau fragen. Sie ist eine zierliche Taschenausgabe mit dunklen, leuchtenden Augen, sie hat sehr helles Haar, ist schlank und höchst reizvoll. Sie hat ein bißchen Backenknochen, und ihr Blick ist - offen und kindlich, möchte ich fast sagen... Sie war kürzlich im >Cabanita<.«
Er unterbrach mich, indem er eine lässige Bewegung mit seiner Hand machte, die nur das Handgelenk in Anspruch nahm. Es war, als hebe ein schwimmender Seehund seine Flosse.
»Kennen Sie sie?« fragte ich gespannt.
»Zum Teufel, ja. Hundert von der Sorte kenne ich. Alle kommen sie herein. Und alle sehen sie gleich aus. Sie beschreiben einen Typ, aber kein Individuum.«
»Aber diese ist ein
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