Wo Licht im Wege steht
meine Schulter. Ihre Augen sahen mich flehend an. »Bitte, bitte, Donald, glauben Sie mir doch.«
»Erzählen Sie mir etwas, was ich glauben kann«, antwortete ich, »und nach Möglichkeit ein bißchen schneller. Die Polizei ist vielleicht schon auf dem Weg zu Ihnen.«
»Die Polizei! Auf dem Weg zu mir?«
Ich nickte.
»Aber Donald - wie sollte das möglich sein? Das würden Sie mir doch nicht antun.«
»Ich habe Ihnen das nicht angetan. Sie selbst haben es sich eingebrockt.«
»Aber was soll ich denn nur machen?«
»Nur eines können Sie tun: mir die absolute Wahrheit sagen. Dann kann ich Ihnen vielleicht helfen.«
»Sie halten mich wohl für eine reichlich dumme Gans.«
Ich antwortete ihr nicht.
»Also bitte«, fuhr sie fort, »das ist die Geschichte in Kurzfassung: Meine Schwester war bisher nicht verheiratet. Sie heißt Rosalind Hart. Wir kommen aus Colorado und waren während der vergangenen vier Wochen hier zu Besuch. Meine Schwester ist vier Jahre jünger als ich. Sie ist ein bezauberndes kleines Ding. Sie ist sehr dezent im Benehmen, und... Nun, sie flirtet nicht so herum. Außerdem ist sie gefühlvoll und romantisch, und sie liebt diesen Stanwick Carlton, seit sie ihn zum erstenmal sah. Es ist wirklich eine ganz große Liebe. Sie wäre eine Zeitlang verlobt. Er war der erste Mann in ihrem Leben und ist es bisher auch geblieben. Sie wissen, wie das ist, Donald. Wenn ein Mädchen völlig für einen Mann lebt, wird er das nach einer Weile leid. Es ist wie mit einer Ware, die sich ihm anbietet und um die er nicht handeln und feilschen muß; sie erscheint ihm auf die Dauer nicht wertvoll genug. Auf Carlton übertragen, heißt das: Er will stets erobern.
Ein geschicktes Mädchen, ein Mädchen, das mehr über Männer Bescheid weiß als Rosalind, würde Stanwick Carlton jederzeit um den Finger gewickelt haben. Lange Zeit liebte er sie, aber dann wurde sie ihm über, weil er sie zu einfach haben konnte. Ich versuchte sie zu warnen, aber sie lachte mich aus. Sie erklärte mir, daß sie heiraten und immer so glücklich bleiben würden. Sie wissen was dann geschah?«
»Erzählen Sie bitte.«
»Nach einer Weile wurde er ihrer müde. Sie war immer für ihn da, sie verehrte ihn und las ihm jeden Wunsch vom Gesicht ab. Sie sah überhaupt keinen anderen Mann an, und sie erlaubte niemandem, sich um sie zu kümmern. Sie verstand es auch nicht, sich rar zu machen.«
»Und dann schneite Minerva in die Szene?«
»Das war es... Minerva. Sie war klug, erfahren und leidenschaftlich. Ich scherze nicht. Ich weiß genau, was ich sage. Eine Frau kann auch in dieser Beziehung andere Frauen beurteilen.«
»Na schön. Und was geschah dann?«
»Sie kam nach Colorado. Sie erfaßte die Situation sofort und begann, die Unerreichbare zu spielen.«
»Und Stanwick Carlton heiratete sie auf der Stelle.«
»Seien Sie nicht närrisch, so einfach war das nun auch nicht. Er begann sich für sie zu interessieren. Aber sie sah ihn über die Schulter an und ging weiter ihren Weg. Er mußte sich also ihren Wünschen anpassen. Er versuchte ihr zwar zu zeigen, daß er auch ohne sie auskommen und zu Rosalind zurückgehen könne. Aber er erkannte wohl bald, daß er sich bereits zu sehr in ihren Fängen verstrickt hatte - und es folgte eine überstürzte Heirat. Ich glaube, er wurde sich dessen erst bewußt, als er bereits im Ehehafen gelandet war. Und er las das, was mit ihm geschehen war, in der Zeitung. Eine überraschende Liebesheirat nannten es die Zeitungen. Liebesheirat!« wiederholte sie zornig. »Vielleicht war es das auch. Bloß hatte nicht er, sondern sie die Überraschung inszeniert.«
»So, so, und weiter?«
»Sie waren zwei Jahre verheiratet. Da ich wußte, daß Minerva gern ein Auge auf andere Männer warf, behielt ich sie ein wenig im Auge. Sie kam hierher und besuchte eine alte Freundin, eine Claire Bushnell. Sie verbrachten gemeinsam ihre Ferien an der Küste und - sie tändelten so ein wenig herum. Dann ging Minerva nach Colorado zurück. Dieses Mal, als ich erfuhr, daß sie wieder nach Kalifornien reisen würde, richtete ich es so ein, daß ich zur gleichen Zeit ebenfalls hier sein konnte.«
»Um Detektiv zu spielen, ja?«
»Tatsächlich, und es war so einfach, höchst primitiv und einfach. - Sie traf, sobald sie hier in der Stadt ankam, mit Dover Fu-ton zusammen. Und am ersten Abend ging sie bereits zum Essen mit einem anderen Mann aus. Fulton sah sie sehr oft. Vergangene Woche fuhren sie schon einmal zu diesem
Weitere Kostenlose Bücher