Wo mein Herz wohnt: Mittsommergeheimnis (German Edition)
seiner Klienten veruntreut”, fasste Sander zusammen. Das erklärte einiges. Mats Bjorkman steckte ganz schön in der Klemme. Wenn er das Geld, das er ohne die Einwilligung seiner Kunden investiert hatte, nicht zurückzahlen konnte, dann war seine Karriere keinen Pfifferling mehr wert. Und wenn erst einmal die ersten Schadenersatzforderungen kamen, war es mit dem schönen Leben der Eheleute Bjorkman ganz schnell vorbei.
Damit es nicht so weit kam, brauchten sie Geld. Sehr viel Geld. Geld, das ihr fünfjähriger Enkel Linus besaß und das sein gesetzlich bestellter Vormund bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr verwalten würde.
Sander spürte, wie Zorn in ihm hochkochte. Deshalb waren die Bjorkmans also so erpicht darauf, ihren Enkel zu sich zu nehmen. Sie bombardierten Finja und ihn jeden Tag mit Anrufen, seit Linus bei ihnen lebte. Der Inhalt war im Grunde immer derselbe: zuerst wüste Beschimpfungen, dann Drohungen und zum Schluss das Versprechen, dass sie alle Hebel in Bewegung setzen würden, um den Jungen zurückzubekommen.
Dass hier nicht Zuneigung oder gar Liebe den Ausschlag gab, hatte er sich ja bereits gedacht. Dass jedoch ausschließlich rein finanzielle Gründe dahintersteckten, das war schon wirklich bitter. Zwar konnten sie als sein Vormund nicht frei über Linus’ Vermögen verfügen, doch es stand jedes Jahr eine mehr als großzügige Summe für die Erziehung und Ausbildung des Jungen zur freien Verfügung.
Dieses Geld mochte für Mats und Sybilla Bjorkman bereits ausreichen, um sich finanziell zumindest einigermaßen zu sanieren.
“Danke, Matt”, sagte er. “Damit hast du mir wirklich weitergeholfen. Gibt es sonst noch etwas?”
“Nun …”
“Ja?” Das Zögern seines Assistenten ließ ihn aufhören. “Was ist los, Matthew? Stimmt etwas nicht?”
“Also, es ist so: Wir alle würden gern wissen, wann wir mit deiner Rückkehr nach New York rechnen dürfen, Boss. Ich weiß, dass du vorerst die Geschäfte von Schweden aus leiten willst, aber … Nun, das Meeting mit den Geschäftsführern von
AKC Sportswear
ist für kommenden Montag angesetzt, und …”
“Ihr findet, dass ich ins nächste Flugzeug steigen sollte, um die Verhandlungen persönlich zu führen”, führte Sander den Satz für ihn zu Ende. “Tut mir leid, aber daraus wird nichts. Ich habe dich nicht umsonst gebeten, mir alle erforderlichen Unterlagen zukommen zu lassen und eine Videokonferenz mit der Niederlassung in Stockholm für mich zu organisieren. Ich werde die Vorverhandlungen von hier aus führen.”
Für einen Moment herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann räusperte Matthew sich. “Bist du sicher? Die Herren von
AKC
werden nicht erfreut sein, wenn sie erfahren, dass du nicht persönlich an dem Meeting teilnehmen wirst. Deine Abwesenheit könnte möglicherweise die falschen Signale aussenden, und …”
“Sprich es ruhig aus: Du fürchtest, dass ich bei den Managern und Betriebsratsfunktionären von
AKC
den Eindruck erwecken könnte, dass die bevorstehende Fusion mir nicht sonderlich wichtig ist. Nun, es wird meine Aufgabe sein, die Herren vom Gegenteil zu überzeugen – und du kannst dich darauf verlassen, dass mir das auch gelingen wird. Außerdem handelt es sich ja zunächst einmal um erste Vorgespräche, es besteht also kein Grund zur Beunruhigung.” Er machte eine kurze Pause, um klarzustellen, dass dieses Thema für ihn abgeschlossen war, ehe er weitersprach: “Sonst noch etwas?”
“Nein, Sander”, erklang Matthews Stimme am anderen Ende der Leitung. “Du bist der Boss.”
Nachdem er aufgelegt hatte, lehnte Sander sich auf seinem Stuhl zurück und blickte nachdenklich zum Fenster hinaus. Draußen herrschte herrlichstes Picknickwetter. Es war zwar noch ein bisschen kühl, aber das war ein Problem, dem man mit einer Jacke und guter Laune beikommen konnte. Die Vorstellung, mit Finja und Linus runter zum See zu fahren, entlockte ihm ein Lächeln. Warum eigentlich nicht?
Plötzlich wurde ihm klar, dass er in letzter Zeit längst nicht mehr so häufig an
SanderSom Sports
gedacht hatte, wie es seiner Position als Geschäftsführer angemessen sein mochte. Was war bloß mit ihm los? Seinem Unternehmen bot sich die Chance auf den möglicherweise bedeutsamsten Vertragsabschluss der Firmengeschichte. Es ging um die Übernahme eines kleinen, aber angesehenen Fabrikanten von Sportbekleidung. Diese Firma war durch Missmanagement in die Krise geraten. Und Sander hatte es geschafft, die
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