Wo mein Herz wohnt: Mittsommergeheimnis (German Edition)
Bindfaden, Leonoras Rezeptsammlung. Aus der hatte Finja auch die Anleitung für die
Havregrynsgröt
, eine Art Haferflockenbrei, den sie gerade zubereitete.
“Möchtest du etwas Apfelmus zu deiner
Havregrynsgröt?”
Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und trat zu Linus hinüber, der an dem großen ovalen Küchentisch saß, an dem schon Finja und Greta ihre Mahlzeiten eingenommen hatten. Liebevoll strich Finja ihm durch sein seidiges hellblondes Haar.
Zwei Wochen waren vergangen, seit Sander und sie dem Notar mitgeteilt hatten, dass sie bereit waren, sämtliche Bedingungen des Testaments zu erfüllen. Schon am nächsten Tag hatten sie den Jungen bei seinen Großeltern abgeholt, die darüber alles andere als erfreut gewesen waren.
Natürlich verstand Finja, dass Sybilla und Mats traurig waren. Aber Linus sollte ja nicht von seinen Großeltern ferngehalten werden. Ganz im Gegenteil. Sander und sie wären nie auf den Gedanken gekommen, den beiden zu verbieten, Linus zu sehen. Doch leider war ein vernünftiges Gespräch mit ihnen bislang überhaupt nicht möglich gewesen. Stattdessen hatte Mats Bjorkman wilde Drohungen und Beschimpfungen ausgestoßen, während seine Frau mit eisigem Blick und zusammengekniffenen Lippen dabei zusah, wie Linus an Finjas Hand zum Wagen ging.
Es war eine mehr als unschöne Situation gewesen – vor allem für Linus. Nicht einmal vernünftig verabschiedet hatten die Bjorkmans sich von ihrem Enkel – ein weiterer Punkt auf der langen Liste von Argumenten, die Finja eindeutig klarmachten, dass Sanders und ihre Entscheidung richtig gewesen war. Der Fünfjährige sollte eine möglichst fröhliche und unbeschwerte Kindheit verleben. Und sie zweifelte ernsthaft daran, dass die Bjorkmans in der Lage waren, ihm diese zu bieten.
Wirklich glücklich wirkte Linus im Augenblick allerdings auch nicht. Anstatt auf ihre Frage zu antworten, schüttelte er stumm den Kopf, dann fuhr er damit fort, lustlos mit seinem Löffel in seinem
Havregrynsgröt
herumzurühren.
So ging das nun schon seit Tagen. Linus war ständig blass und wirkte niedergeschlagen, obwohl er praktisch den ganzen Tag zusammen mit Susanna Kerklund, dem Kindermädchen, draußen an der frischen Luft verbrachte.
Susanna war ein echter Glücksgriff. Sander und Finja hatten bereits überlegt, wie sie ihre beiden Jobs und Linus’ Erziehung unter einen Hut bringen sollten, da stand sie eines morgens plötzlich vor der Tür: Jemand aus dem Ort habe ihr Linus’ Geschichte berichtet – ob sie vielleicht Hilfe brauchen konnten? Die Fünfundzwanzigjährige hatte mehrere Semester Psychologie an der Uni belegt, das Studium dann aber abgebrochen und sich für eine Karriere als Kinderbetreuerin entschieden. Mit diesen Voraussetzungen war sie geradezu dafür prädestiniert, sich um Linus zu kümmern.
Natürlich verstand Finja, warum Linus so zurückhaltend und scheu war. Der Fünfjährige hatte schließlich gerade erst seine Eltern verloren und lebte nun bei Leuten, die er praktisch überhaupt nicht kannte. Susanna riet dringend davon ab, ihn deswegen zu verhätscheln. Sie war der Ansicht, dass Linus einfach nur ein wenig Zeit brauchte, um sich einzugewöhnen. Vermutlich hatte sie damit sogar recht – trotzdem machte Finja sich Sorgen um ihn.
“God Morgon
!” Sander betrat die Küche und setzte sich zu Linus an den Küchentisch. Im Vorbeigehen streifte er Finjas Arm. Es war eine harmlose, ungewollte Berührung, und doch ließ sie Finjas Atem spürbar stocken. Rasch wandte sie sich wieder dem Herd zu, auf dem jetzt Spiegeleier in einer Pfanne brutzelten.
Sander sollte nicht merken, wie sehr seine Nähe sie irritierte. Sie verstand ja selbst nicht, was mit ihr los war. In den letzten Jahren hatten sie sich immer weiter auseinandergelebt, bis sie am Ende kaum mehr als Fremde füreinander gewesen waren. Aber jetzt, wo sie wieder unter einem Dach zusammenlebten … Finja wurde einfach das Gefühl nicht los, dass da noch etwas zwischen ihnen war. Aber das bildete sie sich doch sicherlich nur ein – oder?
Seit vierzehn Tagen lebten sie nun schon zusammen in Finjas Elternhaus. Finja hatte Sander das ehemalige Elternschlafzimmer überlassen, sie selbst schlief – mehr schlecht als recht, da sie jede Nacht von Albträumen gequält wurde – in ihrem früheren Kinderzimmer. Linus war in Gretas ehemaligem Zimmer untergebracht, und für Susanna stand ein kleines, aber gemütliches Gästezimmer zur Verfügung, sodass sie nicht jeden Abend
Weitere Kostenlose Bücher