Wo mein Herz wohnt: Mittsommergeheimnis (German Edition)
Unternehmensspitze und den Betriebsrat davon zu überzeugen, dass er der richtige Mann war, um sie aus der Krise zu führen. Vor seiner Abreise aus New York hatte er den Deal vorbereitet. Jetzt standen die ersten Gespräche an, und er würde vorerst hier in Schweden bleiben. Hatte Matthew recht, wenn er befürchtete, dass dies die Verhandlungen negativ beeinflussen konnte?
Möglicherweise – aber nur, wenn er zuließ, dass irgendwelche Zweifel daran aufkamen, wie ernst er seinen Job nahm. Er musste den Leuten zeigen, dass er sich seiner Verantwortung voll und ganz bewusst war. Sie mussten spüren, dass er all seine Kraft und Energie einsetzte, um die beste Lösung für alle zu finden. Aber konnte ihm das gelingen, wenn er mit dem Kopf ständig woanders war? Vor seiner Rückkehr nach Schweden hatte sich in seinem Leben so gut wie alles um die Arbeit gedreht. Es erschien ihm einfacher, sich mit den Problemen der Geschäftswelt herumzuschlagen, als sich der Leere und der Kälte zu stellen, die in seinem Herzen herrschte. Jetzt jedoch …
Es war ganz schön kompliziert, seine Geschäfte von Schweden aus zu führen. Zum Beispiel musste er regelmäßig mit einer kleinen Privatmaschine von einem winzigen Flughafen aus nach Stockholm fliegen, wo sich der schwedische Firmensitz von
SanderSom Sports
befand. Und dennoch – eines war ganz klar: Er fühlte sich so wohl wie schon lange nicht mehr.
“Na, wie sieht’s aus? Hilfst du deinem alten Onkel, die restlichen Sachen für unser Picknick aus dem Wagen zu holen?”
Linus, der seit ihrem Eintreffen am See schweigend am Ufer gestanden und auf das spiegelglatte Wasser gestarrt hatte, drehte sich jetzt um. Wortlos steckte er die Hände in die Taschen seines leuchtend roten Anoraks und schlurfte mit hängenden Schultern zu Sander herüber. Zusammen machten die beiden sich auf den Weg zu dem Geländewagen, den Sander sich gekauft hatte, als sich abzuzeichnen begann, dass sein Aufenthalt in Schweden von längerer Dauer sein würde.
Seufzend blickte Finja ihnen nach. Irgendwie hatte sie gehofft, dass der gemeinsame Ausflug den Fünfjährigen ein wenig auftauen lassen würde. Doch nun wirkte er, wenn das überhaupt möglich war, sogar noch niedergeschlagener und trauriger.
“Es ist wirklich wunderhübsch hier”, sagte Susanna und riss sie damit aus ihren trüben Gedanken. Der Wind ließ ihr tiefbraunes schulterlanges Haar wehen, und ihre Wangen waren leicht gerötet.
“Ich kann mir vorstellen, dass man im Sommer hier wunderbar schwimmen und grillen kann.”
Finja nickte abwesend. Sie kannte New York, London, Paris, Berlin und Moskau. Auf der Suche nach unentdeckten Künstlern für ihre Galerie hatte sie Mexiko und Brasilien besucht. Doch nirgendwo auf der Welt war sie zu einem Ort gelangt, der so herrlich war wie dieser.
Glatt wie ein Spiegel lag der See da. Die Kronen der Birken und Tannen, die fast bis ans Ufer heranreichten, wurden von der glasklaren Oberfläche reflektiert. Am strahlend blauen Himmel tummelten sich träge einige Schäfchenwolken.
Es sah aus, als würde dort, in den Tiefen des Sees, eine zweite Wirklichkeit existieren. Das Abbild der Welt, in der sie lebten – und vielleicht doch ganz anders?
Die Luft war erfüllt vom Duft der ersten zarten Frühlingsblumen. Vögel zwitscherten in den Ästen der Bäume, und die Bienen summten energisch, während sie von Blüte zu Blüte schwirrten. Die Natur erwachte nach einem langen, bitterkalten Winter zu neuem Leben – für Finja jedes Mal aufs Neue ein kleines Wunder. Monatelang war das Land von einer dicken Schneeschicht bedeckt und der Boden gefroren gewesen. Doch kaum ließen die ersten wärmenden Strahlen der Frühlingssonne den Schnee schmelzen, da brachen auch schon die ersten Krokusse aus der Erde hervor.
Und dann, wenn die Tage länger wurden und die Sonne wärmer, waren die Wiesen am Ufer von bunten Wildblumen übersäht. Finja konnte gar nicht zählen, wie viele herrliche Sommertage ihrer Kindheit sie mit ihren besten Freundinnen Linnea und Hanna hier verbracht hatte. Ihre liebste Beschäftigung war es gewesen, Blumenkränze zu flechten und Prinzessinnen zu spielen. Fast glaubte sie wieder, das fröhliche Lachen der anderen beiden Mädchen zu hören.
Sie schloss die Augen und gab sich einen Moment ganz ihren Erinnerungen hin. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen – und gefror zu Eis, als sie plötzlich an Audrey denken musste.
Audrey, die wohl nie wieder einen warmen Sommertag erleben würde,
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