Wo mein Herz wohnt: Mittsommergeheimnis (German Edition)
auf die Suche nach Finja. Er fand sie in Linus’ Zimmer, wo sie zusammen mit dem Jungen und Susanna einen Turm aus Bauklötzen errichtete. Irgendwie besaß dieser Anblick für Sander etwas sehr Anrührendes; für einen Außenstehenden mussten sie fast wie eine richtige Familie aussehen – Vater, Mutter, Kind. Aber war das alles nicht bloß eine Illusion? Eine Seifenblase, die jederzeit bei der kleinsten Erschütterung platzen konnte?
Finja bemerkte ihn erst, als er sich räusperte. “Kann ich dich kurz sprechen?”, fragte er.
Sie runzelte die Stirn, nickte dann aber und folgte ihm hinaus auf den Korridor. “Was gibt es denn?”, fragte sie. “Linus und ich haben gerade …”
“Ich muss für ein paar Tage nach Stockholm”, verkündete er. “Es gibt Schwierigkeiten bei der Fusion, von der ich dir erzählt habe, und …”
“Gut”, sagte Finja sofort. “Ich packe sofort ein paar Sachen für Linus und mich zusammen. Wenn es nötig ist, können wir in einer halben Stunde aufbrechen.”
Sander brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was sie meinte, dann schüttelte er den Kopf. “Nein, nein, du hast mich falsch verstanden”, sagte er. “Der Kleine und du, ihr kommt nicht mit – ich fahre allein.”
Einen Moment lang schaute sie ihn einfach nur an, ihre blauen Augen funkelten angriffslustig. “Verstehe.” Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sagte: “Sobald die Dinge zwischen uns anfangen, ein wenig komplizierter zu werden, ziehst du es vor, davonzulaufen.”
“Was?” Verständnislos starrte er sie an. Dann trat er mit einem leisen Seufzen auf sie zu. “Was soll das, Finja? Warum machst du es mir so schwer? Ich fahre nicht zu meinem Privatvergnügen, sondern geschäftlich nach Stockholm. Du hast von Anfang an gewusst, dass das hin und wieder notwendig sein wird. Ich habe immerhin ein Unternehmen zu leiten!”
“Und was ist mit mir?” Er sah jetzt, dass Tränen in ihren Augen schimmerten – waren es Tränen der Wut oder der Enttäuschung? Sie schüttelte den Kopf. “Glaubst du, mir ist es leichtgefallen, die Geschicke meiner Galerie in fremde Hände zu übergeben? Sicher, meine Assistentin Kelly ist eine überaus fähige Mitarbeiterin, aber mir bedeutet die Galerie mindestens ebenso viel wie dir
SanderSom Sports
. Trotzdem nimmst du dir das Recht heraus, einfach von hier zu verschwinden, wenn es dir gerade in den Kram passt. Ausgerechnet jetzt, wo jederzeit ein Sozialarbeiter auftauchen kann, um nach dem Rechten zu sehen!”
“Du übertreibst maßlos”, entgegnete Sander, und es gelang ihm nicht ganz, den aufsteigenden Ärger aus seiner Stimme zu verbannen. “Und selbst wenn es so wäre: Das Testament deiner Schwester besagt zwar, dass Linus hier in Dvägersdal aufwachsen soll, aber soweit ich mich erinnern kann, enthält es keinen Punkt, der dir oder mir Geschäftsreisen verbietet. Das wäre auch gar nicht möglich.”
“Natürlich, aber …” Finja atmete tief durch und winkte resignierend ab. “Vergiss, was ich gesagt habe. Du musst gehen, also geh. Linus und ich werden dir keine Steine in den Weg legen.”
Sander hatte das Gefühl, dass sie noch etwas anderes sagen wollte, doch sie zog es vor zu schweigen. Also würde er auch nicht nachbohren. Irgendwie spürte er tief in sich drin, dass ihm das, was sie ihm zu sagen hatte, sowieso nicht gefallen würde. Und sein schlechtes Gewissen fing auch so schon an, sich zu regen. Natürlich sprach im Grunde nichts dagegen, dass Finja und Linus ihn begleiteten – abgesehen vielleicht von seinem Wunsch, der irritierenden Nähe seiner Ehefrau für eine Weile zu entgehen.
“Finja …”, setzte er an.
“Ja?” Als sie sich umdrehte, war ihr Blick so voller Hoffnung, dass ihm plötzlich für einen Moment regelrecht die Worte fehlten.
Er holte tief Luft. “Ich melde mich dann, wenn ich in Stockholm angekommen bin.”
Das erwartungsvolle Lächeln auf ihren Lippen erstarb. “Tu, was immer du für richtig hältst”, sagte sie, wandte sich brüsk ab und kehrte, ohne sich noch einmal nach ihm umzublicken, ins Kinderzimmer zurück.
Sander wusste, dass er sie enttäuscht hatte. Gleichzeitig war er froh, dass sie es ihm so einfach machte. Sie brach nicht in Tränen aus und machte ihm auch keine weiteren Vorwürfen – warum nur fühlte er sich trotzdem so miserabel, als er in sein Zimmer zurückging, um zu packen?
Zwei Stunden später – Sander war schon vor einer ganzen Weile aufgebrochen und Linus lag längst im Bett und
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