Wo niemand dich findet
ist leider nicht da.« Sie lehnte sich an die geöffnete Tür und bat ihn herein. »Aber Sie können gerne eine Nachricht hinterlassen.«
Er zögerte kurz, trat dann aber ein und nahm den Hut ab. Darunter kam ein weißer Schopf zum Vorschein. Er ließ den Blick über die Unordnung schweifen und blieb vor der offenen Tür zu Alex’ Büro stehen.
»Darf ich bitte Ihren Namen erfahren?«
»Scoffield. Bill Scoffield.«
Seine gedehnte Aussprache ließ sie sofort an Osttexas denken. Sophie war gut, was Stimmen betraf, und konnte beinahe jeden Akzent richtig zuordnen. Manchmal machte sie sich einen regelrechten Spaß daraus.
»Wissen Sie, wann Sie zurückkommt?«, erkundigte er sich.
»Eigentlich jeden Augenblick«, antwortete Sophie, obwohl sie keine Ahnung hatte. Sie musste irgendwen observieren, und das dauerte nun schon viel länger als ursprünglich geplant. Sophie stieg über einen Aktenstapel und zog eine Schublade auf, die sie heute Vormittag bereits geordnet hatte. Darin war ein pinkfarbener Notizblock, auf den sie den Namen des Mannes notierte.
»Soll ich ihr etwas ausrichten, Mr. Scoffield?« Als sie aufsah, stand er vor Alex’ Tür und glotzte in ihr Zimmer. Sophie trat vor ihn und schloss die Tür. »Vielleicht eine Nachricht?«
»Sagen Sie ihr einfach, dass ich da war.« Er musterte sie kurz, ehe er den Hut aufsetzte und hinausging.
Mit einem unguten Gefühl sah ihm Sophie nach. Ihr gefiel nicht, wie er sich für Alex’ Arbeitszimmer interessiert hatte. Und etwas anderes an ihm gefiel ihr auch nicht, aber sie wusste nicht was.
Sie kniete sich wieder auf den Boden, um die Akten ins Regal zu stellen. Da klopfte es erneut. Sie fuhr herum und rechnete mit der Rückkehr des Cowboys.
Doch es war jemand anderes.
Zwei Tage lang kam kein Mensch, und heute klopften sie im Minutentakt. Sophie lief zur Tür und öffnete.
»Kann ich Ihnen helfen?«, sagte sie um Fassung bemüht, als sie sein Gesicht sah.
»Ich suche Alex.« Er schlenderte einfach an ihr vorbei ins Büro. »Ist sie da?«, fragte er im Umdrehen.
Der Mann hatte eine angenehme Stimme. Südstaatler. Aus Louisiana oder Arkansas, vermutete Sophie.
»Tut mir leid, aber sie ist nicht hier.«
Er spazierte weiter durch den Eingangsbereich. Trotz seiner Verletzung am linken Auge schien er sich alles genau einprägen zu wollen. »Glauben Sie, dass sie bald zurück ist?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wer sind Sie eigentlich?«, fragte er. Nun stand er neben dem Schreibtisch, den sie gerade aufgeräumt hatte.
»Ich bin Sophie, Alex’ Assistentin.«
Er nickte. Dann sah er hinab auf den Tisch und blätterte in dem Adressverzeichnis, das dort lag.
Nun war sie endgültig mehr empört als bestürzt über seine Erscheinung und eilte zu ihm. »Und wer sind eigentlich Sie?« Sie nahm das Verzeichnis und legte es in eine Schublade.
»Ein Freund von Alex.«
Ein Freund? Oder ihr Freund? Das wohl eher nicht. Er sah zu unordentlich aus, selbst für Alex Lovell. Das marineblaue Jackett und die graue Hose sollten ihm vermutlich einen zivilisierten Anstrich verleihen, aber so ganz reichte es nicht. Vielleicht ein Kredithai? Oder ein wütender Ehemann, den die Privatdetektivin seiner Frau in flagranti ertappt hatte und der auf Rache sann …
»Sieht gut aus hier.« Er ging zu Alex’ Tür und lauschte, so als wollte er sichergehen, dass niemand dahinter war.
Sophie verschränkte die Arme vor der Brust. »Möchten Sie mir vielleicht eine Nachricht für Alex hinterlassen?«
Doch der Mann schien sich mehr für den Empfangsraum zu interessieren. Sein Blick glitt über das Ergebnis von Sophies zweitägiger Arbeit: die beiden Bücherregale, die sie aus den staubigen, nun an der Wand lehnenden IKEA-Kartons ausgepackt und zusammengeschraubt hatte; der neu geordnete Aktenschrank, der momentan auch als Tisch für ihre Kaffeetasse diente.
»Sie waren ja richtig fleißig.«
»Na ja …«
Er lächelte. Sie beruhigte sich ein wenig. Eigentlich hatte er ein freundliches Lächeln. »Machen Sie sich keine Sorgen«, bat er sie.
»Wie bitte?«
»Na, Sie scheinen etwas nervös.«
»Das bin ich nicht. Ich bin nur …«
»Wahrscheinlich ist Alex eine strenge Chefin, hm?« Er kam näher. »Aber sie ist gut. Sie versteht was von ihrem Job. Sie können von Glück reden, dass Sie hier sind. Alex hat ein gutes Gespür für Menschen, also müssen Sie einen guten Eindruck auf Sie gemacht haben.«
Sophie konnte sich das Lächeln nicht verkneifen, obwohl eine Stimme in ihr sie
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