Wo niemand dich findet
aus, als hättest du eine Nachtschicht eingelegt.«
»Ich bin erst um sechs nach Hause gekommen«, sagte er. Dabei rieb er sich den Nacken. Er holte eine gelbe Kaffeedose aus einem Küchenkasten, tat einen frischen Filter in die Kaffeemaschine und schaufelte mehrere gehäufte
Löffel Pulver hinein. Dann füllte er Wasser ein und schaltete die Maschine an.
Alex’ Blick fiel auf Nathans nackte Füße. Seine Jeans war unten am Bein seltsam schmutzig.
»Doppelmord.«
Ihre Blicke begegneten sich. Er hatte bemerkt, dass sie auf das Blut gestarrt hatte. Offenbar war er so, wie er war, ins Bett gefallen.
»Ich kann dich heute wohl nicht zu einem Läufchen überreden«, vermutete sie.
Er lehnte sich gegen die Küchenzeile und musterte sie von oben bis unten. Ihre nackten Beine schienen es ihm besonders angetan zu haben.
»Vielleicht lasse ich mich doch überreden.« Als sie sich wieder in die Augen blickten, wurde ihr seltsam warm. Neben ihnen gurgelte und zischte die Kaffeemaschine.
Sie drehte sich um und öffnete einen Küchenschrank. Teller. Beim zweiten Versuch hatte sie mehr Glück. Sie nahm zwei Tassen heraus und schenkte Kaffee ein, obwohl die Maschine noch nicht ganz durchgelaufen war. Eine halbvolle reichte sie ihm. Zugleich schlürfte sie ein wenig an der anderen.
»Wow!« Sie verzog das Gesicht. »Der ist aber stark!«
»Getreidekaffee«, schmunzelte er. »Außerdem hast du ihn nicht ganz durchlaufen lassen.« Er trank seine Tasse in einem Zug aus und stellte sie ab.
»Ich bin gleich so weit.«
Nathan verschwand aus der Küche und überließ Alex ihren Gedanken. Während sie den Kaffee schlürfte, fragte sie sich, ob es klug war, an einem Sonntagmorgen unangekündigt bei ihm aufzutauchen. Irgendwie war das doch
ein wenig… zu intim? Sie stellte die Tasse ins Waschbecken und ging zur Haustür, um auf ihn zu warten.
Eine Minute später stand er in Shorts und Joggingschuhen vor ihr.
»Wie lange?«
»Sieben Komma zwei Kilometer«, verkündete sie, als sie vor ihm auf den Gehweg trat.
»Bist du das etwa schon abgelaufen?«
»Ich hab’s gegoogelt. Wir laufen zum Mount Bonnell. Wenn wir von hier den Mesa Drive entlang …«
»Ich weiß doch, wo Austins schönster Aussichtspunkt ist!«
Sie hörte die Belustigung in seiner Stimme und wandte sich um. »Was ist los?«
»Du bist wirklich lustig.«
»Ach komm, mach los!«
Sie legte ein beachtliches Tempo vor, ein wenig auch um sich zu beweisen. Beim letzten Mal hatte sie doch etwas Mühe gehabt, sich ihre Anstrengung nicht anmerken zu lassen.
Er wechselte auf die andere Seite. Nun lief er näher am Straßenrand und sie weiter innen. Dieser Beschützerinstinkt!
Sie sah ihn an. Ihr gefiel, was sie sah – diese gerade, aufrechte Körperhaltung. Und wie eng das T-Shirt an seiner Brust anlag … Er schien ihren Blick zu spüren.
»Früher warst du aber nicht so gut in Form«, meinte sie.
»Wann?«
»Na, als wir letzten Herbst zusammengearbeitet haben.«
»Das liegt an Hodges.«
»Wieso?«
»Will Hodges, mein Partner, hat einen Fitness-Tick. Da musste ich was tun, damit ich neben ihm nicht so schlecht dastehe.«
»Den kenn’ ich«, sagte Alex. »Wie alt ist er denn? Er sieht noch recht jung aus.«
»Neunundzwanzig.«
»Da bist du ja fast zehn Jahre älter.«
»Nicht ganz!«, kam es wie aus der Pistole geschossen. Hatte sie da etwa einen wunden Punkt getroffen?
»Und fast zehn Jahre älter als ich.« Grinsend zog sie das Tempo an. Natürlich ging er auf die Herausforderung ein und beschleunigte ebenfalls den Schritt. Männer waren so leicht zu durchschauen.
Dank des flotten Tempos waren sie bald am Ende des Pfads. Er erreichte die ausgetretenen Steinstufen als Erster und ging voran. Eine Zeitlang stiegen sie schweigend hügelan. Dabei begegneten sie anderen Menschen, die auf dem Spazierpfad zur höchsten Erhebung von Austin den Morgen genossen.
An einem großen Felsen neben dem Pfad sagte Alex: »Wollen wir uns da kurz hinsetzen?«
Sie ließ sich auf den Stein sinken und blickte umher. Die niedrig stehende Sonne warf lange Schatten auf der Flanke des Hügels, eine erfrischende Brise ließ die Bäume rauschen. Alex schloss die Augen und atmete genussvoll den schweren süßlichen Kiefernduft ein. »Ich liebe diesen Geruch.«
»Bergzeder«, sagte er. »Aber nicht alle vertragen ihn, viele reagieren darauf allergisch.«
»Ich mag ihn trotzdem.«
»Daran erkennt man die echte Texanerin.«
»Ich bin aber gar nicht aus Texas.«
Er stellte
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