Wo niemand dich findet
Hand ihren Kopf hielt und ihre beiden Zungen miteinander rangen. Sie wusste immer noch nicht, wie ihr geschah, doch ihre Hände glitten bereits nach oben, über seine Schultern, griffen nach seinem Haar. Er schmeckte gut. Ihr Begehren wuchs, während er seine Lippen auf ihre presste, und wie von selbst drängte sich ihre Hüfte an ihn.
»Komm mit mir«, sagte er fast in ihren Mund.
Sie küsste ihn. Sie wollte nicht aufhören, wollte nicht sprechen. Alles was sie wollte, war mehr von diesen langen leidenschaftlichen Küssen, bei denen sie sich ganz leicht, fast schwebend fühlte. Er umschlang ihre Hüfte, hob sie auf Zehenspitzen, und durch ihre Jeans hindurch spürte sie seine heiße Erregung.
»Alex.« Seine Stimme klang nun tiefer, drängender. »Komm mit mir nach Hause.«
Sie lehnte sich etwas zurück und sah zu ihm hoch. Dabei versuchte sie, wieder zu Atem zu kommen. Da war es wieder, dieses eigentümliche Blitzen seiner blauen Augen, die sie unverwandt ansahen. Sie wollte nichts lieber als mit ihm mitgehen. Nur eine Stimme in ihr riet ihr ab, flüsterte, dass sie vorsichtig sein sollte. Aber sie wollte trotzdem.
»Ich…«
Ein ohrenbetäubendes Dröhnen unterbrach sie. Sie wandte sich um und sah zwei Motorräder vorbeidonnern.
Dann war auch die Wärme seines Körpers nicht mehr da. Mit einer unglücklichen Grimasse trat er einen Schritt zurück und zog sein Telefon aus der Tasche. Alex’ Fersen berührten wieder den Boden.
»Devereaux«, sagte er barsch.
Er warf ihr einen hitzigen Blick zu. Sie drehte sich um und bewegte die Hand in Richtung Autotürgriff. Er erwischte ihren Arm.
»Warte«, sagte er tonlos.
Sie blieb geduldig stehen und wartete mit in den Taschen vergrabenen Händen, damit er ihr Zittern nicht bemerkte. Ein einziger Kuss und schon zitterte sie! Was würde erst geschehen, wenn sie diese Nacht mit ihm verbrachte? Er sprach ruhig ins Telefon, fixierte sie dabei aber die ganze Zeit mit diesem erregten, leidenschaftlichen Blick.
Sie sah zur Seite. Der Parkplatz von Eli’s Roadhouse brachte sie in die Realität zurück. Überall standen Pick-ups,
Motorräder und Geländewagen herum. Der Geruch von Abgasen mischte sich mit dem Gestank einer nahen Mülltonne, und diese Kombination ließ ihre Lust verebben.
Was gar nicht so schlecht war, denn nach Nathans Miene zu schließen, war das Telefonat dienstlich, und er würde wohl aufbrechen müssen.
Endlich legte er auf und steckte das Handy in die Tasche.
»Arbeit?«, fragte sie.
Er nickte.
Sie drehte sich um und öffnete die Tür. Diesmal versuchte er nicht, sie daran zu hindern. Sie setzte sich ans Steuer und sah zu ihm auf. Doch seine Miene verriet nichts. Ob er später vorbeikommen wollte? Allein der Gedanke ließ sie innerlich erschauern. Aber er würde es nicht tun. Wahrscheinlich nicht. Sie kannten sich nicht so gut, als dass er mitten in der Nacht bei ihr klingeln könnte. Und mit ihr schlafen.
Mit ihr schlafen. Sex haben. Mit Nathan Devereaux. Sie griff nach dem Autoschlüssel.
Er legte einen Unterarm auf das Autodach und beugte sich zu ihr. »Entschuldige bitte, das kam leider zur ganz falschen Zeit«, sagte er.
»Kein Problem.«
»Ich kann dich ja später anrufen …«, sein weicher Südstaatenakzent verlor sich in der Nacht. Doch er schickte diesem Vorschlag einen vielsagenden Blick hinterher.
Sie sah ihn an und verstand. Das war keine gute Idee. Aus verschiedenen Gründen, nicht nur weil er im Begriff war, zu einem Mordschauplatz zu fahren. Noch schwerer
wog, dass sie eigentlich auch noch wütend auf ihn war. Er glaubte ihr nicht. Er hatte kein Vertrauen in ihr Urteil, und das im wichtigsten Fall ihrer bisherigen Karriere.
»Nein, ruf nicht an«, sagte sie.
Er schien überrascht. Und dann vorsichtig. »Okay. Möchtest du morgen noch frühstücken?«
Sie sah auf die Uhr. »Jetzt ist schon morgen.«
Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Bei dir wird’s wohl später werden. Streichen wir das Frühstück. Ruf mich einfach an, wenn du was Neues für mich hast.«
»Was Neues?« Er runzelte die Stirn.
»Wegen des Falles.«
Das kleine, rund um die Uhr geöffnete Lebensmittelgeschäft in der Nähe des Tatorts verkaufte Kaffee, der zumindest annehmbar duftete. Geschmacklich erinnerte er jedoch eher an Spülwasser. Nathan hatte im Laufe seines Berufslebens zwar schon viel von solcher Plörre in sich hineingeschüttet, aber nun war es vier Uhr fünfzig am Morgen, und schon beim Gedanken daran wurde ihm übel. Dann schon
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