Wo niemand dich findet
Schweres drückte sie auf den Boden.
Alex rollte mit Melanie auf sich herum und schoss in Richtung Tür. Doch da war niemand.
Sie sah Melanie an, die nun unter ihr lag. Überall war Blut – auf dem Gesicht und ihrem Sweatshirt.
»O Gott!« Alex setzte sich auf die Knie. Wieder warf sie einen Blick auf die Tür. Niemand. In der Ferne erklang ein Martinshorn.
»Melanie!« Alex legte ihre Waffe auf den Boden und suchte tastend nach der Stelle, an der das Blut austrat. Alles war voll Blut. Sie streifte Melanies Sweatshirt nach oben und fand die warme, klebrige Stelle an ihrer Seite, in der Nähe des Brustkorbs.
»Melanie!«
Die Martinshörner wurden lauter. Alex riss das Leintuch
vom Bett und versuchte damit die Blutung zu stillen. Nun gellten die Martinshörner in unmittelbarer Nähe.
Bremsen quietschten. Autotüren flogen auf. Fäuste trommelten gegen die Tür.
»Aufmachen! Polizei!«
Alex blickte panisch hinter sich. »Brechen Sie sie auf! Wir brauchen Hilfe!«
»Stehen bleiben!«
Alex riss den Kopf herum. Ein uniformierter Polizist stand im Türrahmen. Dort wo kurz zuvor der Angreifer gestanden hatte. Er hielt die Waffe genau auf Alex gerichtet.
21
Alex war verletzt.
Vielleicht sogar schwer.
Mit quietschenden Reifen fuhr Nathan auf den Parkplatz für Krankenwagen im Tulane Hospital und stellte sich auf den für Notfälle reservierten Platz. Er hängte ein Schild, das seinen Wagen als Polizeifahrzeug auswies, an den Rückspiegel und sprang aus dem Auto.
Beide Frauen sind unterwegs ins Tulane. Die Worte des Streifenpolizisten, den er auf dem Motelparkplatz gesprochen hatte, gingen Nathan nicht aus dem Kopf.
Eine hat’s böse erwischt. Ist fraglich, ob sie durchkommt.
Welche? , hatte Nathan gefragt.
Die Braunhaarige. Ich glaub, es war ziemlich heftig. Aber ich hab sie nicht so genau gesehen.
Nathan passierte eine Schwingtüre und durchquerte einen überfüllten Wartesaal. Er hielt der Frau an der Aufnahme, die am Telefon sprach, seine Polizeimarke hin. »Ich muss mit einer Patientin sprechen, die gerade eingeliefert wurde.«
Ohne einen Blick auf die Marke, die ihn in New Orleans an sich zu überhaupt nichts berechtigte, deckte sie mit einer Hand die Muschel ab und deutete mit dem Kopf hinter sich.
»Sie meinen die Schussverletzung, oder?« Sie blickte ihn erwartungsvoll an, und er zwang sich zu einem Nicken. »Durch die Schwingtür und dann links. Unfallstation 4. Allerdings glaube ich nicht, dass sie bei Bewusstsein ist.«
Nathan stieß die Tür auf und schlängelte sich durch das übliche Chaos eines Freitagabends. Er lief an Bahren und Rollstühlen vorbei und begegnete übermüdetem OP-Personal. Schließlich fiel sein Blick auf ein Schild neben einer Tür. UNFALL 4. Krankenhauspersonal stand um einen Tisch. Die Menschen bewegten sich hektisch, fast wie gehetzt, ihre Mienen waren grimmig.
»Nathan.«
Er riss den Kopf herum.
»Hier bin ich.«
Auf der anderen Seite des Ganges, hinter einer geöffneten Tür in einem kleinen Zimmer, saß Alex an einem Tisch.
Nathans Herz tat einen Satz. Sie war wach und ansprechbar … und über und über mit Blut beschmiert.
Er lief zu ihr.
»Was machst du denn hier?« Mit gerunzelter Stirn sah sie ihn an, während ein junges Bürschlein in OP-Klamotten einen Schnitt an ihrem Arm versorgte.
»Geht’s dir gut?« Er griff nach ihrer freien Hand, zuckte aber zurück, als er sah, dass sie auch blutbeschmiert war. »Was ist passiert?«
Alex schüttelte den Kopf und senkte den Blick. Ihr T-Shirt und ihre Jeans waren ebenfalls besudelt.
»Alex, was ist passiert?«
Sie hob den Kopf wieder, und das Unglück, das aus
ihren Augen sprach, zog ihm die Brust zusammen. »Er hat Melanie erschossen.«
»Und was ist mit dir?«
»Mir geht’s gut.« Sie blickte auf ihren Arm, sichtlich bemüht, nicht die Fassung zu verlieren. »Das ist nur ein Kratzer. Hab mich beim Stürzen an der Bettkante aufgeschlagen. Melanie ist auf mich gefallen.«
Der junge Mann, der die Wunde nähte, wirkte ruhig und gefasst und sah kaum älter als zwölf aus.
»Hast du sie gesehen?« In ihrem Blick lag etwas Flehendes. »Sie war bewusstlos, als sie in den Krankenwagen gelegt wurde. Keiner sagt mir was.«
»Ich werd’s rauskriegen.«
»Alex Lovell?«
Sie wandten sich beide um. Ein Polizeibeamter stand in der Tür.
»Ich habe ein paar Fragen zum Geschehen. Kann ich reinkommen?«
»Natürlich.« Alex richtete sich auf. Trotz des vielen Bluts sah sie plötzlich sehr gefasst aus. Aber
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