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Wo niemand dich findet

Wo niemand dich findet

Titel: Wo niemand dich findet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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noch nie hier gewesen, aber sie hatte es sich lebhafter vorgestellt. Vielleicht war es zu spät. Oder zu früh.
    Nach einer Kreuzung bog Nathan wortlos links ab.
    Er strafte sie mit Schweigen. Zumindest empfand sie
es so. Er hatte kaum ein Wort gesprochen, seit sie das Krankenhaus verlassen hatten – sie mit bandagiertem Arm und einer Packung Schmerzmittel in der Handtasche. Etwas nagte an ihm, und sie war überzeugt, dass das etwas mit ihrer kleinen Spritztour zu tun hatte.
    Aber Alex war mittlerweile alles egal. Sie war in ein tiefes Loch gestürzt, als sie neben Melanie gekniet und gesehen hatte, wie das Leben langsam aus ihrem Körper schwand. Sie lag im Koma. Der behandelnde Arzt hatte gesagt, dass sie vielleicht nie wieder erwachen würde. Und der Mann, der dafür verantwortlich war, lief frei herum. Immer noch. Alex wollte sich nur noch zusammenrollen und heulen.
    Aber nicht vor Nathan. Das hatte sie sich geschworen. Sie würde sich zusammenreißen, bis er morgen wieder wegfuhr. Erst dann würde sie den Gefühlen, die in ihr tobten, freien Lauf lassen. Dafür brauchte sie kein Publikum.
    Er bog ein weiteres Mal ab, und sie fuhren durch eine kopfsteingepflasterte Gasse. Die Mauern reichten so nah an das Auto heran, dass Alex nur die Hand zum Fenster hinausstrecken musste, um sie zu berühren. Sie richtete sich ein wenig auf und bemerkte, dass dieses Gässchen in kein weiteres mündete, sondern in einem winzigen Parkplatz endete. Nathan parkte neben einem SUV.
    »Sind wir da?«
    »Ja.«
    Er stellte den Motor ab, und sie stiegen aus. Nathan kam auf ihre Seite und nahm ihr den Rucksack ab. Dann führte er sie durch einen schmalen backsteingemauerten Durchgang. Auf der anderen Seite befand sich ein
großer Hof, der von einer weißen Lichterkette erhellt wurde. Alex zwinkerte und sah nach oben. Auf vier Etagen waren die Balkone, von denen glänzende Hängepflanzen herabbaumelten, festlich erleuchtet. Die meisten Fenster zwischen den hohen schwarzen Fensterläden waren dunkel, aber hier und da waren sie von gelblichem Licht erhellt.
    Nathan geleitete sie an einem gluckernden Springbrunnen, dann an einer Gruppe schmiedeeiserner Tische und Stühle vorbei. Alle waren um diese Uhrzeit unbesetzt. Er öffnete eine Glastür, die in einen schummrigen Raum führte.
    Nur eine kleine grüne Tischlampe leuchtete auf der Rezeptionstheke in dem kleinen teppichbelegten Foyer. Hier roch es nach Zimt – nach echtem Zimt, nicht nach dem künstlichen Aroma aus einem Duftspender. Schaudernd erinnerte sich Alex an den Muff im All Saints Motel.
    Ein schlanker Mann trat in den Raum und kam Nathan mit ausgestreckter Hand entgegen. Er trug einen schwarzen seidenen Morgenmantel über einem schwarzen Schlafanzug.
    »Guten Morgen, Mr. Devereaux.« Dann sah er Alex an und lächelte liebenswürdig. »Wir haben das Zimmer 322 für Sie vorbereitet.«
    Nathan nahm den Schlüssel, den ihm der Mann anbot, und nickte. »Dankeschön.«
    »Unsere Küche ist momentan leider geschlossen, aber von sechs Uhr an gibt es Kaffee.« Er sah auf die Uhr. »Bis dahin ist es gar nicht mehr so lang.«
    Nathan dankte ihm erneut und führte Alex zu einem
Aufzug. Sie stiegen ein, und während sie rasselnd und ratternd emporfuhren, sah Nathan sie an.
    »Du hast angerufen«, stellte sie fest.
    Nathan blickte sie nur an.
    Sie wandte den Kopf zur Seite. Ihr Blick fiel auf die hochgekrempelten Ärmel der Windjacke, die sie anhatte. Nathan hatte sie ihr ins Krankenhaus gebracht, um ihre blutbesudelte Kleidung zu überdecken. Sie war mit grauem Stoff gefüttert, und auf dem Rücken stand das Logo der Polizei von Austin. Alex hatte schon beschlossen, sie zu behalten.
    Knarrend ging die Aufzugtür auf, und Nathan führte sie einen Gang entlang. Sie war heute Abend ziemlich viel hin und her geführt worden, aber sie war zu müde, um sich darüber noch Gedanken zu machen. Er blieb vor einer Tür stehen und sperrte sie mit einem altmodischen Schlüssel auf. Daran hing eine große Lilie als Schlüsselanhänger, möglicherweise, damit die Gäste ihn nicht versehentlich in ihren Taschen vergaßen, wenn sie die Stadt wieder verließen.
    Nathan stieß die Tür auf und schaltete das Licht an. Alex folgte ihm in den Raum. Als Erstes bemerkte sie das breite Doppelbett mit Daunendecke. Herrlich.
    Fast so schön wie eine Dusche.
    Sie war auf dem Weg ins Badezimmer, noch bevor Nathan ihren Rucksack auf einen gelben Armsessel gelegt hatte.
    »Ich muss mal telefonieren.« Er öffnete die

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