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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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ihren Puls und rief dann nach Badetüchern. Badetücher?
    Männer und Frauen kamen angerannt, die Arme voller bunter Handtücher mit fröhlichen Motiven wie Papageien, Leoparden oder Sonnen. Tom deckte sie mit einem guten Dutzend davon zu, machte eins nass und legte es ihr auf die Stirn. Dann richtete er sich auf die Hacken auf und befahl: »Bringt mir kaltes Cola, aber kein Cola Light, irgendwas Pappsüßes.«
    Jemand klatschte ihm eine Coladose in die Hand, und er zippte die Lasche ab. Dann sagte er zu mir: »Halten Sie ihren Kopf hoch. Sie muss das trinken.« Ich glaubte nicht, dass sie trinken würde, aber sie tat es. Irgendwo in ihrem Innern musste sie wohl wissen, wie wichtig Flüssigkeit für sie war. »Der Zucker wird ihr gut tun«, erklärte Tom. »Und sie braucht die Flüssigkeit. Ich will versuchen, ihr so viel wie möglich davon einzuflößen. Ihr Körper ist ziemlich dehydriert.«
    Die Badenden wichen ein wenig zurück, um uns mehr Platz zu lassen.
    »Wo bleibt der verdammte Hubschrauber?«, rief Tom, während er Laura weiter Cola einflößte.
    »Der Bademeister sagt, noch ungefähr eine Viertelstunde!«, brüllte jemand zurück.
    Wie auf Absprache versorgten uns die Frauen und
    Männer dann mit Getränken, etwas Essbarem oder Mückensalbe. Jemand brachte uns Badetücher. Eine Frau in einem geradezu atemberaubenden Tanga schleppte einen großen Sonnenschirm an und stellte ihn so auf, dass Laura möglichst viel Schatten hatte.
    Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, als Laura schließlich - ohne Lidflattern, ohne Stöhnen oder Krämpfe -unvermittelt die Augen aufschlug und mich direkt anschaute. Sie war sehr bleich, aber ihr Blick war klar. Sie war wieder da. Sie lächelte mich an. Tom gab ihr noch mehr Cola.
    »Sie halten sich großartig, Laura«, lobte er. »Es dauert nicht mehr lange. Langsam und leicht atmen. Ja, genau. Lassen Sie nicht zu, dass Sie wieder umkippen. Okay?«
    »Okay.« Ihre Stimme war hauchdünn, aber sie war wieder da.
    »Ich höre den Hubschrauber«, erklärte ich aufblickend. »Jetzt bloß nicht ohnmächtig werden, Laura. Drücken gilt nicht. Das würde mich echt sauer machen. Und Tom hier würde, glaube ich, ausflippen. Lächle mich einfach alle paar Minuten an, während du dich aufs Atmen konzentrierst. Ich muss wissen, woran ich bin. Okay?«
    »Mir geht’s gut«, flüsterte sie. »Tut bloß furchtbar weh, Mac, aber damit werde ich schon fertig. Was hältst du von dem Lächeln?«
    »Das hübscheste Lächeln, das ich je gesehen hab. Tut mir Leid, aber ich hab leider keine Schmerztabletten mehr. Krall dich einfach an meine Hand, wenn’s wirklich schlimm wird.«
    Als der Hubschrauber schließlich etwa sieben Meter von uns entfernt am Strand niederging, war ich fast ein Nervenbündel. Zwei Männer mit einer Trage über den Schultern und eine Frau mit einem schwarzen Arztkoffer kamen auf uns zugerannt. Zum ersten Mal begann ich
    ernsthaft zu glauben, dass Laura es schaffen würde. Ich hätte heulen können vor Erleichterung.
    Als der Hubschrauber abhob, hielt ich Lauras Hand, und einer der Notärzte legte eine Infusion an ihren Arm. Er erklärte - und seine Stimme klang wundervoll tief und wundervoll amerikanisch: »Ist bloß Salz und Zucker in Wasser aufgelöst, keine Sorge. Der Arzt sagte, sie hatte eine Cola. Das hier ist sogar noch besser.«
    »Ihr Körper ist dehydriert«, erklärte eine andere Notärztin. Sie trug eine Baseballkappe verkehrt herum auf dem Kopf und legte Laura nun eine Sauerstoffmaske über Nase und Mund. »Ist sie gegen irgendwas allergisch?«
    Ich schüttelte ratlos den Kopf. »Ich weiß nicht.«
    Die Frau sagte nichts, nickte nur. »Dann werde ich ihr ein Antibiotikum namens Cefotetan spritzen. Dabei gibt’s nur sehr selten allergische Reaktionen.« Sie warf mir einen Seitenblick zu und erkundigte sich: »Ist sie Ihre Frau?«
    »Noch nicht«, antwortete ich. Der dritte Notarzt untersuchte Sherlock. Der Hubschrauber stieg hoch über die Bäume auf, und wir bekamen einen herrlichen Ausblick über den Regenwald. Dicht, bedrohlich und so feuchtgrün, dass man das Gefühl hatte, schon beim Hinsehen zu schimmeln. Über einigen Stellen hing dicker Nebel wie ein grauer Schleier. Es wirkte mysteriös, ja unwirklich, fast geisterhaft. Kein Ort für Menschen. Wir mussten den Dschungel weit im Südosten betreten haben, auf unserer wilden Flucht vor den Apaches. Dos Brazos musste dort auch irgendwo liegen, vermutete ich und ein paar Meilen südwestlich davon das Barackenlager

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