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Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Titel: Wo Schneeflocken glitzern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathryn Constable
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einem Designer-Strickmantel auf, die Kaffee trank und immer wieder auf die Bahnhofsuhr schaute. Dr. Starowa wusste normalerweise, was sie wollte – das zeigte schon die Entschiedenheit, mit der sie darauf bestanden hatte, von Sophie herumgeführt zu werden, und wie geschickt sie Sophie im Pausenhof fotografiert hatte. Oder wie sie sich in ihrem Zimmer umgesehen und Sophie über ihren Vater ausgehorcht hatte.
    Im Nachhinein sah es ganz danach aus, als hätte die Frau von Anfang an ein bestimmtes Ziel verfolgt, auch mit der Szene im Bahnhofscafé, als sie ihren Auftritt bis zur allerletzten Sekunde hinausgezögert hatte. Was sie allerdings damit bezweckt hatte, war Sophie schleierhaft.
    »Vielleicht …«, fing sie zögernd an. Aber im selben Moment tauchte der Mann mit einem Teller voll kleiner Pfannkuchen wieder auf.
    » Blinis «, verkündete er stolz. Die Pfannkuchen waren alle mit einem dicken weißen Sahneklecks und glänzenden hellgrauen Perlen gekrönt. »Mit Kaviar!«
    Aber Kaviar war das Letzte, was Sophie und die anderen momentan interessierte, obwohl keine von ihnen sich traute den Mund aufzumachen und die Frage zu stellen, die ihnen auf den Nägeln brannte. Sophie seufzte. Marianne war in solchen Situationen auch keine Hilfe – sie saß dann nur da und beobachtete alles stumm und mit großen Augen wie eine kleine Waldohreule. Und Delphine war oft viel zu direkt und undiplomatisch.
    »Ähm … könnten Sie uns bitte sagen …« Sophie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg.
    Der Mann lächelte aufmunternd und reichte jeder von ihnen einen Teller mit Blinis .
    Jetzt machte auch Delphine den Mund auf und beendete Sophies Satz in ihrem erwachsensten, kühlsten Ton: »… wer Sie sind?«
    Der Mann ließ sich ein paar Sekunden Zeit mit seiner Antwort, als müsse er ihre Worte erst ins Russische übersetzen. Dann lachte er schallend. »Ach ja, natürlich, ich muss euch wohl um Verzeihung bitten. Die lange Reise hierher hat mich vergesslich gemacht.« Er holte tief Luft, verneigte sich der Reihe nach vor allen drei Mädchen und sagte dann mit ernster Stimme: »Ich bin Ivan Ivanovitsch, Haushofmeister im Winterpalast der Volkonskis.«
    Delphine nickte nur, als wüsste sie das alles längst. Sophie hätte am liebsten laut gelacht, wenn sie nicht so durcheinander gewesen wäre.
    Mit einem fragenden Blick drehte Marianne sich zu Sophie um und formte stumm mit den Lippen: »Was?«
    Delphine nickte immer noch. »Dieser Dingsbumspalast«, sagte sie, »ist das in St. Petersburg?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Oh, nein, nein.«
    »Oh!« Delphine runzelte die Stirn und jetzt nickte sie nicht mehr.
    Marianne stieß einen leisen Überraschungslaut aus – ein bisschen wie ein Luftstrom, der aus einem Ballon entweicht. »Aber wir dachten«, fing sie mit erstickter Stimme an, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen, »dass Sie hergekommen sind, um uns nach St. Petersburg zurückzubringen?«
    »Nur deshalb sind wir in den Zug eingestiegen«, fügte Sophie hinzu.
    »Aber warum denn? Warum sollte ich euch nach St. Petersburg bringen, wenn ihr doch Gäste im Winterpalast seid?« Ivan Ivanovitsch schaute sie verwundert an.
    Mariannes Augen hinter den Brillengläsern blickten jetzt noch verwirrter drein, so dass Sophie ihr am liebsten den Arm um ihre schmächtigen Schultern gelegt hätte. Wenn sie andere trösten musste, wurde sie selbst immer viel mutiger.
    Marianne schluckte. »Das muss ein Versehen sein, ganz bestimmt«, erklärte sie. »Wir wurden einfach im Zug ausgesetzt.«
    »Und nicht nur das«, fügte Sophie hinzu, »als Nächstes wurden wir mitten im Schneesturm aus dem Zug rausgeworfen.«
    Ivan Ivanovitsch schaute sie immer noch ratlos an. »Nun, ihr werdet wohl müde sein nach der langen Reise«, sagte er schließlich. »Wir haben noch einen weiten Weg vor uns bis zum Volkonski-Wald. Die Prinzessin …«
    »Prinzessin?« Delphine verschluckte sich fast an ihrem Blini.
    »Ihre Hoheit, Prinzessin Anna Fjodorovna Volkonskaja«, verkündete Ivan. »Sie wünscht euch zu sehen und ich wurde hergeschickt, um euch hier abzuholen.«
    Sophie wechselte einen Blick mit Delphine und Marianne, die völlig entgeistert dreinschauten. Es hatte ihnen genauso die Sprache verschlagen wie ihr. Wortlos schauten sie zu, wie Ivan mit großen Gesten ein paar dürre Ästchen anzündete und in eine Mulde unter einem verbeulten, aber blitzblank polierten Silberkessel mit einer Tülle in der Mitte schob. In wenigen

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