Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)
dafür gibt es wirklich keinen Grund.« Sie lachte, und Sophie lächelte unwillkürlich zurück, weil das Lachen der Prinzessin so ansteckend war. »Wir werden hier eine Menge Spaß miteinander haben.«
Wieder flüsterte die Prinzessin Ivan etwas auf Russisch zu. Er verneigte sich und öffnete eine verspiegelte Flügeltür. Das Glas in der Tür vibrierte, so dass ihre Spiegelbilder wackelten. Die Prinzessin ließ Mariannes Hand los und verschwand in dem Raum dahinter.
»Was machen wir jetzt?«, sagte Marianne zu Delphine.
»Wir bleiben, wo wir sind«, erwiderte Delphine und versuchte in den Raum hineinzuspähen. »Man wartet, bis man gerufen wird.«
»Warum muss das alles so steif und offiziell ablaufen?«, murrte Marianne und zupfte an ihrem Mantel. »Das Ding hier ist total kratzig. Meinst du, ich kann es ausziehen?«
Mit einem diskreten Hüsteln bedeutete Ivan den Mädchen, dass sie der Prinzessin folgen sollten. Delphine ging selbstbewusst voraus und ihr silberner Mantel fegte über den Boden. Jetzt sah auch Sophie, dass er ihr zu lang war. Seite an Seite mit Marianne folgte sie Delphine in einen viel kleineren, dunklen Raum, der fast ganz von einem runden Tisch eingenommen wurde. In der Mitte des Tischs stand ein großer Kerzenhalter mit brennenden Kerzen, deren Wachs bereits auf die vergoldeten Arme hinuntertropfte. Der ganze Tisch war mit Papierstapeln übersät, einige gebündelt und mit Schleifen verschnürt, andere zu gefährlich hohen Stapeln aufgetürmt. Die Prinzessin durchsuchte einen kleinen Stapel, der vor ihr auf dem Tisch lag, und ihr Blick wirkte leicht abwesend. Ivan beugte sich vor, um den Kerzenleuchter näher zu ihr hinzuschieben.
»Danke, Ivan, aber ich brauche deine Hilfe nicht«, fauchte sie ihn an. Ihr scharfer Ton kränkte Ivan sichtlich und er trat rasch vom Tisch ins Dunkel zurück. »Nur ein wenig langweiliger Papierkram«, murmelte die Prinzessin vor sich hin und blätterte immer noch in dem Stapel herum. »Ach ja, da ist es!«
Dann zog sie mehrere Blätter heraus.
»Eure Miss Ellis ist sehr streng und gewissenhaft.«
Lächelnd legte sie ein Blatt Papier vor Marianne hin. »Sie besteht darauf, dass ihr diese Papiere hier unterschreibt, sonst darf ich nicht mit euch zum Eislaufen gehen.«
»Müssten das nicht eher unsere Eltern unterschreiben?«, wandte Marianne ein, nahm aber den Stift, den die Prinzessin ihr hinhielt, und setzte ihren Namen auf den unteren Rand.
»Ach was, eure Unterschrift genügt völlig.«
Die Prinzessin drehte das Blatt um, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen, und legte es auf einen anderen Stapel. Dann setzte sie ein strahlendes Lächeln auf und winkte Delphine zu sich her. »Es ist ja nur eine Formalität. Ich rechne nicht mit Unfällen!«
Delphine nahm den silbernen Stift, der ihr hingehalten wurde, und schrieb ihren Namen an den unteren Rand. Die Prinzessin nickte und nahm das Blatt entgegen. Sophie beobachtete gebannt jede ihrer Bewegungen: Ihre Kopfhaltung, der dicke Haarstrang, der Schnitt ihrer Kleider ließen sie wie ein Wesen aus einer anderen Welt erscheinen. Lächelnd überflog sie die Seite, aber es war ein stilles, heimliches Lächeln. Und als ihr Blick auf Delphines Unterschrift fiel, runzelte sie die Stirn und murmelte: »Aber das muss ein Versehen sein …«
Widerstrebend riss sie ihre Augen von dem Papier los und blickte zu Ivan auf, dann zu Delphine. Ein wilder Zorn flammte in den Tiefen ihrer grauen Augen auf.
»Du bist das falsche Mädchen!«, stieß sie hervor.
Delphine wich einen Schritt zurück. »Ich … ich …«, stotterte sie.
»Was hast du hier zu suchen, in dieser Aufmachung? Das ist nicht dein Mantel.«
Die Frau zerknüllte Delphines Einverständniserklärung zu einer Papierkugel und pfefferte sie auf den Boden.
Eine wilde Angst schoss in Sophie hoch. Sie wollte das Blatt aufheben und der Prinzessin zurückgeben, damit sie weitermachen konnten wie bisher. Oder war es etwa doch eine Verwechslung? Vielleicht hatte die Prinzessin in Wahrheit Lydia Sedgwick eingeladen. Oder Nadine. Vielleicht wurden sie jetzt schnurstracks nach St. Petersburg zurückgeschickt, und andere Mädchen durften mit der Prinzessin eislaufen und Kirschpunsch auf dem See trinken.
»Ich bin nicht das falsche Mädchen. Ich bin Delphine«, verteidigte sich Delphine und schaute Marianne und Sophie an, als sei sie sich selbst nicht mehr so sicher, wer sie war. Sophie wollte ihr helfen, brachte aber keinen Ton heraus.
»Ich bin mit meinen
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