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Wo Tiger zu Hause sind

Wo Tiger zu Hause sind

Titel: Wo Tiger zu Hause sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Marie Blas de Roblès
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namens Glauke entbrannte, welche zu gleicher Zeit von einem verliebten Widder begehrt wurde. Ebenso weiß man von dem Ungemach, das ein Elefant einer Ladenbesitzerin in Antiochia, & jenem, das auf Borneo ein großer Affe einem spanischen Priester bescherte. Und ein jeder weiß, dass die Löwen zu Beginn des Winters brünftig und daher zu dieser Zeit sonderlich gefährlich sind, dass sie jedoch Frauen verschonen, wenn diese die Röcke heben und ihnen ihre Natur darbieten …
    Wieder wurde laut gelacht. Vom Fürsten angeheizt, artete diese Plauderei in ein Gebrodel gelehrter Obszönitäten aus. Der Inzest gesellte sich zu den Geschichten von unerlaubter Liebe, & eine lange Zeit war von nichts anderem mehr die Rede als dem unzüchtigem Treiben Caligulas, Neros oder des Chrysipp, der unterschiedslos gern mit seiner Mutter, seiner Schwester oder seiner Tochter Umgang hatte. Man zitierte Strabo, der versicherte, die Zauberer Persiens & die Priester Ägyptens verführen in ihren Tempeln nicht anders, & Amerigo Vespucci, der behauptet, in Ostindien gebe es keinen Verwandtschaftsgrad, der die Kopulation verhindere, man beschwor den Kaiser Claudius herauf, der seine Nichte Agrippina ehelichte und den Inzest hernach vom Senat legalisieren ließ … Sodann begann man, der erlaubten Liebe und des Schamgefühls zu spotten und sie als nichts denn eine Erfindung der erschlafften Völker hinzustellen, denn, so hieß es, beides sei in der Neuen Welt oder auch im hohen Norden ganz unbekannt, bei jenen Völkern, die dem Gast ohne die geringste Scheu ihre Gattin oder Tochter anböten und ungeniert ganz öffentlich kopulierten, so wie Krates, der Kyniker, seine Hipparchia mitten auf der Agora hernahm …
    Angesichts dieser Lawine von Schändlichkeiten, ob deren ich ebenso errötete wie die Fürstin, hatte ich unausgesetzt meinen Meister mit Blicken angefleht, ohne zu begreifen, wie es ihm gelang, eine so majestätische Ruhe zu bewahren. Nicht ein Muskel in seinem Gesicht zuckte; er trug ein gutmütiges Lächeln zur Schau, als werde er hier nur harmloser Kindereien Zeuge. Der Gemeindepriester hatte sich unter Hinweis auf sein hohes Alter & die späte Stunde längst empfohlen. Dann, als ich schon die Hoffnung aufgab, Kircher jemals gegen diesen Wust von Verderbtheit aufbegehren zu sehen, ergriff er unvermittelt das Wort:
    »Ich habe selber all das gelesen, worauf Ihr anspielt, & ich bewundere Euer Wissen, bedaure jedoch, dass keine einzige Stimme gegen all diese Laster laut geworden ist, es mag sie zwar gegeben haben & sie mögen auch heute noch grassieren, doch sind sie darum nicht weniger verurteilenswert. Ich würde Euch alle bei der Heiligen Inquisition anzeigen, so wäre es meine Pflicht …«, er hielt kurz inne & musterte die Gäste kalten Blicks. Das Blau seines Auges war blasser geworden, & ich sah, wie mehrere Personen, darunter die eben noch kecksten, sich, von jäher Furcht gepackt, die Stirn betupften … »wenn ich auch nur einen Augenblick annehmen müsste, dies wäre die Ansicht von Euch allen. Vielleicht aber lohnt es sich, auf einige Gesichtspunkte einzugehen. Je mehr ich mich in die Erforschung des Neuen vertiefe, desto zutreffender will mir scheinen, was der Weiseste aller Sterblichen, der Prediger Salomo, sagt: ›Nichts Neues unter der Sonne.‹ Was ist geschehen? Ebendas, was noch geschehen wird. Das beharrliche Festhalten am Bösen, genauer dem Dämon, ist der Grund all dieser Vergehen gegen die natürliche Ordnung, denn er wirkt allenthalben daran, die Welt mit seinen Schändlichkeiten zu verderben. Der fluchwürdige Baumeister bereitet dem althergebrachten Verbrechen immer neu das Haus. Er verwendet alle Mittel, er versucht einen jeden & in jedem Lebensalter. Sein vorzüglichstes Mittel, um die Seelen in die Irre zu führen & sie sich untertan zu machen, war immer, sie mittels Neugier anzuziehen & sie mit Kunstgriffen von Aberglaube & Ausschweifung in den Abgrund zu ziehen. Dass der Dämon so viele Menschen gefangen hat, liegt, so können wir sagen, daran, dass er seit Anbeginn der Zeiten stets dasselbe Mittel einsetzt: Ich meine Magie & Zauberwerk. So können wir feststellen, dass sämtliche Götter der alten Ägypter und ihrer Nachfolger auch von den heutigen Barbaren noch verehrt werden. Bei ihnen sehen wir die Insignien von Isis & Osiris, zu Mond & Sonne verwandelt, & so finden wir auch Bacchus, Herkules & Aesculap, Serapis & Anubis & andere Monster, die denen der Ägypter ganz ähnlich

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