Wo Träume im Wind verwehen
Skye hastig, um die Anzüglichkeiten zu unterbinden. »Ich wäre um ein Haar ins Wasser gefallen.«
»Was soll die Scheiße?«, fragte Simon und packte sie am Arm. »Ein Stelldichein im Wald?«
»Pass auf, was du sagst, Mann.« Ruhig löste Joe Simons Finger von Skyes Arm.
Simon war high. Skye erkannte es an seinen Augen. Sie funkelten mordlustig, aber er war so verdattert über die versteckte Drohung, dass es ihm die Sprache verschlug.
»Wenn das so ist, bedanke ich mich, dass Sie meiner Tochter geholfen haben«, sagte Augusta und verlieh der Situation einen Hauch von Anstand. »Mr. …«
»Joe Connor.«
Der Name hing in der Luft.
»Connor?«
»Ja.«
»Connor!«, wiederholte Augusta. Ihre Augen wurden eisig, als es bei ihr zu dämmern begann.
»Richtig.«
»Doch nicht James Connors Sohn?«, fragte Augusta ungläubig.
»Doch. James Connor war mein Vater.« Joes Stimme klang plötzlich stahlhart, als würde er sich zum Kampf rüsten. Wut flammte in seinen Augen auf. Caroline trat einen Schritt vor, bemüht, eine Auseinandersetzung zu vermeiden, aber Joe würdigte sie keines Blickes.
»Großer Gott!« Augustas Augen waren schmerzerfüllt.
»Mrs. Renwick, lassen Sie die Vergangenheit endlich ruhen«, mischte sich Sam Trevor ein und richtete sich zu voller Größe auf. Sein Ton war der eines Friedensstifters, fest, aber freundlich. »Sie haben wunderbare Töchter, wir waren soeben dabei, uns besser kennen zu lernen. Joe und ich sind mit Caroline befreundet. Sie hat uns zum Ball eingeladen.«
»Das ist richtig. Bitte, Mom, die beiden sind meine Freunde …«
Augusta sah sie an, als hätte sie soeben ihre Familie ans Messer geliefert, ohne es zu merken. Sie warf Sam einen prüfenden Blick zu und versuchte sich einen Reim auf seine Worte zu machen. Dann packte sie Carolines Handgelenk.
»Weißt du nicht mehr, was passiert ist? Du kannst es doch nicht vergessen haben … Wie schrecklich es war. Die Grausamkeit, die sein Vater in unserem Haus begangen hat. Bitte kommt mit mir. Auf der Stelle.«
»Mom, hör mich an!« Caroline blickte Joe an und trat noch einen Schritt vor, um zu verhindern, dass ihre Mutter weitersprach.
»Wozu?«, rief Augusta verzweifelt. »Was bedeuten schon Worte? Sie können den Schaden nicht wieder gutmachen, den der Mann angerichtet hat. Ich hatte zwei kleine Kinder, und er drang in unser Haus ein, um uns alle umzubringen.«
»Aber er hat es dann doch nicht getan«, sagte Caroline flehentlich.
»Er hat es versucht! Mörder!«, entgegnete Augusta.
»Sie sprechen von meinem Vater!«, rief Joe, ihren flammenden Blick erwidernd.
»Ihr Vater …«
»Joe!«, sagte Sam ganz ruhig.
»Es tut mir Leid, dass er Ihre Töchter bedroht hat, aber ich kann nicht zulassen, dass Sie so über ihn reden. Ist das so schwer zu verstehen?«
»Ich verstehe nur eines, dass ich Sie nie wieder in der Nähe meiner Töchter sehen will!«
»Komm, Sam.« Joe machte auf dem Absatz kehrt.
»Joe, warte, Mann.« Sam sah offensichtlich noch immer eine Chance, den Frieden wieder herzustellen.
Joe ging unbeirrt weiter. Er entschuldigte sich nicht bei Augusta, verabschiedete sich nicht von Clea und Peter, wartete nicht auf seinen Bruder. Simon warf er einen letzten verächtlichen Blick zu. Er erinnerte Skye nicht mehr daran, woran sie sich am nächsten Morgen entsinnen sollte. Aber vor allem sagte er Caroline nicht auf Wiedersehen, so viel nahm Skye trotz ihres umnebelten Gehirns wahr.
Caroline blickte ihm nach. Sie hatte die Hand auf ihre Brust gepresst. Elegant mit ihrem dunklen aufgesteckten Haar und dem weißen Kleid, das ihre langen Beine eng umschloss, stand sie im Kreis ihrer Familie, einen Ausdruck tiefster Verzweiflung in den Augen, und sah Joe Connor ein zweites Mal aus ihrem Leben entschwinden.
1. November 1979
Lieber Joe,
ich habe noch nie so etwas erlebt. Als ich Deinen letzten Brief öffnete, dachte ich, es gäbe wieder etwas zu lachen, weil Du Witze machst oder Neuigkeiten über dich und Sam berichtest.
Aber ich habe nicht erwartet, genau das zu lesen, was ich selbst empfinde. Ich liebe Dich auch, Joe. Ich weiß, dass wir sehr jung sind, uns kaum kennen und uns noch nie gesehen haben. Aber diese Dinge finde ich nicht wichtig, auch wenn ich nicht sagen kann, warum.
Gemälde haben etwas Seltsames. Manchmal gehe ich in eine Galerie und betrachte Mädchenbilder. Sie sitzen in einem Sessel und schauen aus dem Fenster, oder sie machen einen Spaziergang am Strand, und irgendetwas geht mir
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