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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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ihren Füßen fühlte sich fest an, aber der Himmel über ihr bewegte sich. Sie schwankte.
    »Skye, ich weiß, dass Sie mich jetzt nicht hören können«, sagte er rau.
    »Ich höre Sie sehr wohl.«
    »Nein, Sie sind betrunken. Aber später, wenn Sie wieder nüchtern sind, möchte ich, dass Sie sich an etwas erinnern.«
    »Ich bin nicht betrunken …«
    »Doch. Aber morgen, wenn Sie rasende Kopfschmerzen haben und Ihnen so speiübel ist, dass Sie am liebsten sterben möchten, werden Sie sich an etwas erinnern, einverstanden?«
    »Woran?« Ihre Finger zitterten.
    »Daran, dass Sie sich nie wieder so elend fühlen müssen.«
    »Sie haben kein Recht …«
    »Es gibt immer einen Ausweg.«
    Die Augen des Mannes waren tiefgründig und offen. Er hielt Skye an den Schultern fest, und obwohl seine Stimme rau klang, war sie freundlich. Er wirkte ruhig und gelassen. Skye wusste, dass sie ihn von irgendwoher kannte, aber noch merkwürdiger war, dass er sie durch und durch zu kennen schien. Sie war der Lösung des Rätsels ganz nahe, starrte ihn an und versuchte mit aller Kraft sich zu erinnern.
    Sie kehrten zum Fest zurück. Der Mann bog die Zweige zur Seite, damit Skye ungehindert passieren konnte. Kaum waren sie aus dem Wald aufgetaucht, entdeckten sie Caroline, die ihnen entgegeneilte. Sie sah Skye an, dann den Mann hinter ihr. Sein Blick veränderte sich. Er war hart, beinahe grimmig gewesen, aber er wurde weich, als er auf Caroline fiel.
    »Skye!«, rief Caroline, und Skye warf sich in ihre Arme.
    Sich an Caroline fest zu halten gab ihr ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Skye zitterte, weil sie zu viel Wodka getrunken und den Schrecken der Begegnung mit dem Fremden im Wald noch nicht überwunden hatte, weil sie
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getanzt und sich an eine andere Zeit und einen anderen Wald erinnert hatte, in dem Caroline sie tröstend in den Armen gewiegt hatte.
    »Du hast sie gefunden.«
    »Wie man sieht.«
    »Danke.« Skyes Kopf ruhte an der Brust ihrer Schwester, und sie spürte, wie Caroline zitterte.
    »Wer sind Sie? Ich kenne Sie …«
    »Skye, das ist Joe Connor«, sagte Caroline.
    Der Name entzündete tief in ihrem Innern den Funken der Erkenntnis. Skye sah Caroline an. Sie hielt Skyes Hand, aber ihre Augen ruhten auf dem Mann. Die japanischen Lampions hüpften an dem Draht über ihren Köpfen auf und ab und tauchten die beiden in blaues und rotes Licht.
    »Ich wusste doch, dass ich Sie kenne!« Skyes Augen füllten sich mit Tränen.
    Joe stand reglos da, ohne zu lächeln. Er blutete aus der Kratzwunde, die Skye ihm zugefügt hatte. Sie dachte an den kleinen Jungen auf dem Foto, an sein offenes, vertrauensvolles Gesicht, sein Lächeln, die Zahnlücke, die Sommersprossen auf seinen Wangen.
    Der Mann, der nun vor ihr stand, war verschlossen. Deshalb sieht er so verändert aus, dass ich ihn nicht wieder erkannt habe, dachte Skye. Das Leben hat ihn misstrauisch gemacht. Skye wusste es, weil es ihr nicht anders erging.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Skye nickte.
    »Versuchen Sie sich an meine Worte zu erinnern. Morgen.«
    Skye senkte den Kopf. Sie schämte sich, dass er gesehen hatte, wie sie aus der Taschenflasche trank.
    »Sie waren immer einer von uns«, flüsterte sie.
    »Wie bitte?«
    »Einer von uns. Eine Art großer Bruder. Ich wusste, dass Caroline Briefe an Sie schrieb, und ich dachte, Sie könnten nachfühlen, wie uns zu Mute war.«
    »Nur bis zu einem gewissen Grad. Ich gehörte zum feindlichen Lager.«
    Skye schüttelte den Kopf. »Nein, das stimmt nicht. Unsere Eltern, ja, aber Sie nicht. Sie waren einer von uns.«
    Plötzlich machte alles Sinn. Der Sommerabend war warm, die Feuerfliegen blinkten zwischen den Bäumen, und sie bildete einen Kreis mit Caroline und Joe Connor. Was sie verband, waren Gewehrschüsse, der Tod anderer Menschen.
    Ihre Mutter kam über den Rasen auf sie zu. Simon begleitete sie mit verdrossener Miene. Skye konnte seine Wut selbst aus der Entfernung spüren, und ihr Magen verkrampfte sich. Sie würde für diese Demütigung büßen müssen, später. Clea und Peter waren unmittelbar hinter den beiden. Das Schlusslicht bildete ein junger Mann mit Piratenkopftuch und Augenklappe.
    »Großer Gott, wo hat sie gesteckt?«, rief Augusta. »Als ich aufschaue, torkelt sie mit diesem Piraten da aus dem Wald …« Augusta funkelte Joe empört an. »Zuerst tanzt er mit Caroline, und gleich darauf kommt er mit Skye aus dem Wald geschlichen!«
    »Mom, er hat mich gerettet!«, entgegnete

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