Wo Träume im Wind verwehen
dass sie wieder mal die Augen verschließt.«
»Hm.«
»Kein einziges Wort auf der ganzen Vier-Dollar-Karte über den Wodka!«
»Ich fühle mich auch so schon schlecht genug, reite also bitte nicht mehr darauf herum, ja? Ich muss von allen guten Geistern verlassen gewesen sein, überhaupt mit dem Auto zu fahren. Joe Connor wird mich für verrückt erklären. Ich weiß, du verstehst es nicht, und im Moment ist mir nicht danach, es zu erklären, aber es gibt etwas, das ich ihm sagen wollte.«
»Sag es
mir.«
Caroline war gespannt, wie sich Skye aus der Situation herausreden wollte. Skyes Miene wurde mürrisch.
»Quäl mich nicht. Ich hatte zu viel intus. Ich gebe es zu.«
»Du erinnerst dich nicht?«
»Mir fehlt ein Streifen.«
»Das ist nicht komisch, Skye. Gestern Nacht hat uns der behandelnde Arzt mitgeteilt, dass du Alkoholikerin bist.«
»Das behaupten sie von jedem. Schau doch, wo ich mich befinde – in der Reha-Abteilung. Das ist keine Intensivstation, sondern die reinste Entzugsklinik. Damit verdienen sie ihr Geld. Sie denken, jeder, der mehr als zwei Bier trinkt, sei alkoholabhängig.«
»Glaubst du, dass du es bist?«
»Nein! Natürlich nicht! Aber ich werde die Finger davonlassen.«
»Wirklich?« Caroline war überrascht. Das hatte sie von Skye nicht erwartet.
»Ja. Ich habe zu viel getrunken. Ich gebe es zu, in Ordnung? Aber die Sache mit Simon … und meine Arbeit läuft nicht so, wie ich es mir vorstelle. Vermisst Homer mich?«
»Ganz sicher. Ich bin heute Morgen zu dir gefahren und mit ihm spazieren gegangen.«
»Gut. Er war zu Hause?« Skye wollte Caroline mit Spekulationen über Homers geheimnisumwittertes Doppelleben ablenken. Er pflegte zu verschwinden, und niemand konnte sagen, wann er zurückkehren würde. Aber Caroline war nicht gewillt, vom Thema Skye abzuschweifen. Sie saß reglos da und schwieg. »Ich habe mir Sorgen gemacht. Was ist, wenn er nicht zurückkehrt? Ich meine, er ist inzwischen ja ziemlich alt. Findest du nicht auch, dass die Zeit wie im Flug vergangen ist? Manchmal kommt es mir vor, als wäre er immer noch ein junger Hund.«
»Wir hatten davon gesprochen, dass Joe in der Stadt ist«, sagte Caroline, Skyes Worte bewusst übergehend.
»Ja, und?«
»Dass er alles wieder aufrührt, dich aufregt.«
»Nicht mich«, entgegnete Skye und lächelte unverhofft.
Skye, die ihr Bestes tat, um Caroline um den Bart zu gehen, hatte nicht bemerkt, dass ihr Verband über das eine Auge gerutscht war. Caroline streckte die Hand aus und rückte ihn behutsam zurecht.
»Als du betrunken warst, sagtest du, vielleicht habe Joes Vater sich gar nicht umbringen wollen, und ich wusste, dass du an das denkst, was dir passiert ist. Als du Andrew Lockwood erschossen hast.«
»Das Gute daran ist, dass ich mich nicht erinnern kann, was ich vorhatte«, sagte Skye. Sie saß aufrecht im Bett, die Knie angezogen. Eine weiße Baumwolldecke war über das Laken gebreitet, und sie hatte einen der Fäden aufgeribbelt und sich um den Zeigefinger gewickelt.
Beide Schwestern schienen in die Betrachtung der Fadenschlinge versunken. Nach ein paar Minuten schloss Skye die Augen und tat, als ob sie schliefe. Caroline saß stumm an ihrer Seite und überlegte, was sie sagen könnte. Eine ehrenamtliche Helferin trat mit einem Rollwagen voller Blumen ein. Sie stellte eine große Vase mit einem herrlichen Strauß auf Skyes Nachttisch.
»Schau«, sagte Caroline und nötigte Skye, die Augen zu öffnen. Sie reichte ihr eine kleine Karte.
»Oh!« Skye musterte die Blumen stirnrunzelnd, las die Karte und lächelte dann. »Sie sind von deinem Freund.«
Caroline las die Karte ebenfalls. »Gute Besserung. Rufen Sie mich an, wenn Sie wieder mit mir reden möchten. Joe Connor.« »Mein Freund sagst du? Weit gefehlt!«
»Er hat eine schöne Schrift.« Skye nahm ihr die Karte aus der Hand. »Sehr maskulin. Warte, ich werde sie für dich deuten.« Sie kniff die Augen zusammen und analysierte die Worte.
Caroline war gegen ihren Willen neugierig. Skye war keine Handschriften-Expertin, sondern tat nur so. Trotzdem war Carolines Interesse geweckt. »Und, was meinst du?«
»Er ist sehr einsam.« Skye bemühte sich, geheimnisvoll zu klingen. »Er hat niemandem, mit dem er reden kann. Die Schatzsuche ist nur ein Ersatz für das, was in seinem Leben fehlt.«
»Und das wäre?«
»Hoffnung? Liebe? Seine Liebste, die er vor langer Zeit verloren hat? Ich habe keine Ahnung. Du wirst ihn fragen müssen. Das macht drei
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