Wo Träume im Wind verwehen
Zutritt zu jedem alten Herrenhaus an der Bellevue Avenue verschaffen. Ich kenne einige der Leute, die sie in Schuss halten. Diese uralten Bauwerke haben alle einen Weinkeller, unterirdische Tunnel und Geheimtreppen.
Sam hat ein Bild von meinem Boot für Dich gemalt, aber dann hat er versehentlich Orangensaft darauf gekippt. Schade. Ich selbst habe überhaupt keine künstlerische Ader. Es weht ein prima Wind – ich muss los.
Alles Liebe
Joe
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7
I hre Mutter hatte das Album dagelassen, und als sie alleine war, öffnete Skye es erneut an der Stelle, an der sich das Foto vom Redhawk befand. Der Anblick hatte ihr vorhin einen Schock versetzt; sie hatte vergessen, dass ein Foto davon existierte. Nun sah sie es an, den kalten Stein und die Männer, in einer Momentaufnahme erstarrt und ihr Herz hämmerte nicht mehr, das Bild berührte sie nicht mehr.
Der Redhawk Club. Es hatte ihren Vater erzürnt, einem Club anzugehören, der seine Töchter ausschloss. Er hatte sie überallhin mitgenommen, hatte ihnen beigebracht, mit einer Waffe umzugehen, besser als jeder Junge, und mit Stolz darauf hingewiesen, was sie alles konnten. Wenn die Leute im Scherz sagten, es wäre vielleicht besser gewesen, wenn er Söhne gehabt hätte, hatte er wütend reagiert.
Eines Tages war Hugh mit seinen Töchtern durch das breite Eingangstor des Clubs gefahren, hatte seinen Wagen geparkt und sie zum Tontaubenstand mitgenommen. Vor aller Augen hatten sie Tontauben geschossen, und jeder Schuss war ein Volltreffer gewesen. Als sie gerade gehen wollten, war der Clubmanager herbeigeeilt, um ihm in aller Stille eine Rüge zu erteilen, und Hugh hatte ihm die schriftliche Kündigung seiner Mitgliedschaft überreicht.
Für ihren Vater war es ein Sieg auf ganzer Linie. Wenn ihnen sein Sport nur Spaß gemacht hätte. Augusta hatte von der »leidenschaftlichen Liebe zum Leben« gesprochen. Skye erinnerte sich daran, dass ihr Vater diesen Ausdruck gebraucht hatte. Er fühlte sich ungeheuer lebendig, wenn er malte, die Inspiration erfüllte jede Faser seines Daseins, floss in seine Leinwand. Und den gleichen Nervenkitzel empfand er bei der Jagd, wenn er lebende Geschöpfe verfolgte, die unter dem funkelnden Schein der Sterne vor ihm flohen.
Er hatte ihr das Zeichnen beigebracht. Sie hatten gemeinsam die Anatomie studiert, hatten die von ihr erlegten Tiere seziert. Sie hatte Muskeln, Knochen und Sehnen gezeichnet, während er ihr erklärte, das sei
sie.
Auch sie sei ein Wesen mit animalischen Instinkten, wie die Tiere, die sie jagten. Er wollte ihr begreiflich machen, wie urwüchsig die mit Erregung gepaarte Freude am Zeichnen und Modellieren war, wie eng verknüpft mit dem tief verwurzelten Jagdtrieb, der so alt war wie die Menschheit. Und falls sie jemals vergessen würde, wer sie war und
dass
sie lebte, sollte sie sich daran erinnern, dass die schöpferische Leidenschaft nicht mehr oder weniger wunderbar oder triumphierend sei als der Tod.
Da Skye ihren Vater liebte, hatte sie versucht Gefallen an der Jagd zu finden. Sie liebte die Spannung und Selbstvergessenheit, die sie im Atelier verspürte, und hatte sich nach besten Kräften bemüht, die Angst vor dem Berg zu bekämpfen. Sie empfand Scham und Widerwillen, wenn sie ein Lebewesen tötete, aber sie hatte Angst, es ihm zu sagen. Als sie nun das Foto vom Redhawk Mountain betrachtete, fiel ihr wieder ein, wie verzweifelt sie nach Ausreden gesucht hatte, um den Jagdausflügen zu entgehen. Da sie wusste, wie wirksam Carolines Fieber gewesen war, täuschte sie immer Halsschmerzen vor und hoffte, ihre Mutter würde darauf bestehen, dass sie zu Hause blieb.
»Hallo, Baby«, sagte Simon.
Sie zuckte zusammen, überrascht vom Klang einer menschlichen Stimme, als hätte einer der Männer auf dem Foto aus dem Grab zu ihr gesprochen.
»Hallo.« Skyes Stimme klang krächzend.
Sie starrten sich an, Mann und Frau. Sie schluckte bei seinem Anblick. Er sah melancholisch, sexy und besorgt aus. Allem Anschein nach hatte er seit langem nichts Anständiges mehr gegessen.
»Hast du dir mal überlegt, was du mir antust?« Er lehnte mit betrübtem Blick am Türrahmen. Langsam näherte er sich dem Bett, schlug vorsichtig die Laken beiseite und beugte sich hinab, um sie probeweise zu küssen.
»Dir?«
»Du hast das Auto zu Schrott gefahren«, flüsterte er. »Es wäre mein Tod gewesen, wenn du dich dabei umgebracht hättest.«
»Dein Tod? Dass ich nicht lache. Wie kannst du so etwas behaupten?«
»Wollen wir
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