Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach
sich am Tisch in einem kurzen Schweigen. Diese Stimmung wurde von Çela aufgelockert. Ihr Appell sollte uns für ein Weilchen von der schwermütigen Tiefe weg und wieder zur Lebendigkeit des Anfangs hinführen.
»Ich habe eine Neuigkeit für euch, ihr Herren! … Ich will es schon die ganze Zeit über sagen. Jetzt halte ich es nicht länger aus. Wahrscheinlich ist der richtige Zeitpunkt da. Haltet euch fest. Wir werden in Kürze Şeli finden! … Ich habe erste Informationen bekommen. Sie wohnt jetzt in Izmir. Ihr Leben war ziemlich bewegt. Doch jetzt geht es ihr gut. Ihr werdet sehen, sie wird uns auch zu Niso führen. Ich habe keine schlechte Arbeit geleistet, oder?«
Necmi war begeistert. Er schien nicht mehr der traurige Mann von eben zu sein. Sicher hatte ihn das Leben unter anderem durch die Szenen, in denen er sowohl Schauspieler als auch Zuschauer gewesen war, gelehrt, leicht von einem Gefühl zum anderen zu wechseln.
»Also toll! … Das nenne ich Kooperation! …«
Er drehte sich um und schaute mich an. Offensichtlich war ihm daran gelegen, auch mich in Aktivität zu versetzen.
»Was meinst du, sieht doch so aus, als würden unsere Leute zusammenkommen, oder? …«
Es war nicht schwer zu verstehen, was er mit seiner Frage beabsichtigte. Die Zeit zum ›Geständnis‹ war da. Wenn ich jetzt nichts sagte, würde es immer schwerer werden. Ich spürte, wie sich mein Gesicht veränderte. Zweifellos sah auch die Frau, mit der ich einen großen Teil meines Lebens geteilt hatte, dieses Gesicht, das ich in meinem inneren Spiegel erblickte. Ich wußte, ihr konnte es nicht entgehen, nicht nach so vielen Jahren der Gemeinsamkeit. Deswegen versuchte ich, ihr in die Augen blickend, die Wahrheit irgendwo zu fassen, wobei ich deutlich den Druck spürte, beobachtet zu werden.
»Ich habe Şebnem gefunden … Durch Necmi … Er hat sie gefunden. Wir haben sie zusammen besucht. Danach bin ich heute alleine hingegangen, sie zu besuchen. Ich bin lange bei ihr geblieben. Ich werde wieder hingehen, solange ich kann … Ich habe es dir irgendwie nicht sagen können. Aber jetzt sage ich es halt …«
Ich zweifelte nicht, daß aus meinen Worten klargeworden war, daß ich nicht von einem gewöhnlichen Besuch gesprochen hatte. Auf dem Gesicht meiner Frau, die mich zu verstehen versuchte, lag ein Ausdruck, als erwarte sie, das bei diesem Besuch Gefühlte ausführlicher erklärt zu bekommen. Nun mußte die ganze Geschichte erzählt werden. Doch ich wußte nicht, wie ich anfangen sollte. In dem Moment ergriff Necmi das Wort und erzählte, was Şebnem passiert war und wo und wie sie nun lebte, soweit man in so einer Unterhaltung davon erzählen konnte. Çela war von dem Gehörten betroffen. Jene Wärme breitete sich zunehmend auf uns drei aus. Davon ermutigt, versuchte ich, zur Sprache zu bringen, wie dies alles auf mich wirkte. Necmi hatte gerade erzählt, wie er von jener alten Tante zu Şebnem ins Krankenhaus geschickt worden war. Die Zeit war gekommen, meiner Frau die für mich erschütterndste Seite der Geschichte zu erzählen.
»Eigentlich ist es nicht ganz so. Necmi hat mir auf der Fahrt hierher geraten, dir lieber nicht zu sagen, was ich dir jetzt sagen will, doch ich tue es trotzdem. Seiner Ansicht nach habe ich noch andere Gefühle, wenn ich dort hingehe …«
Sie hörte aufmerksam zu. Ich erzählte von der Nacht in Tarabya, einiges – den Ohrring und andere Details – behielt ich für mich … Sie war bewegt und hatte feuchte Augen. Diese Bewegtheit konnte verschiedenes bedeuten. Doch wie immer man es betrachtete, was sie fühlte, war menschlich und sehr echt, wie ich sehen konnte. Necmi schaute sie an und setzte die Erzählung in einer für ihn typischen Weise fort. So als wollte er das Feuer anheizen, das Spiel noch offener spielen, doch gleichzeitig auch ein wenig Spaß machen, um die ziemlich verdüsterte Stimmung, die durch die Trauer und vielleicht Verunsicherung über das Vorgefallene aufgekommen war, zu zerstreuen, wobei er Kraft schöpfte aus seinem Humor, der zur rechten Zeit stets seine Wirkung zeigte …
»Dieser Hund hat sich in das Mädchen verliebt. Aber mir hat er es verheimlicht, der Esel! … Seinem besten Freund hat er es verheimlicht! …«
Ich verstand, worauf er hinauswollte. Dieses Mal hatte ich einen anderen Zuschauer vor mir. Es fiel mir nicht schwer, meine Rolle zu spielen.
»Du warst doch genauso verliebt … Was waren denn das für Treffen von euch beiden? … Weshalb habe ich davon
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