Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach
nicht erwartet. Ich fand das übereilt und ärgerte mich über seine Kühnheit und sein allzu großes Selbstbewußtsein, aber ehrlich gesagt gefiel mir auch seine Courage. Du weißt, auch ich bin ein bißchen spinnert, unvorsichtig. Außerdem hatte ich wohl ein solches Abenteuer dringend nötig, und so sagte ich sofort zu. Wahrscheinlich war er sehr überrascht, daß ich seine Einladung so einfach annahm, dachte ich, als ich das Gespräch beendete. Ich täuschte mich nicht. Als wir im Urlaub waren, gab er es zu. Wir verbrachten ein wunderbares Wochenende. Ich sagte mir andauernd, daß ich dieses Mal meine Weiblichkeit wirklich erlebte. Ja, dieses Mal stimmte es wirklich. Ich war dort angekommen, wo ich bleiben wollte. Die Ereignisse entwickelten sich rasch. Zwei Monate später heirateten wir, ohne einem Menschen Bescheid zu geben. Als meine Mutter hörte, daß ich geheiratet hatte, war sie sehr getroffen. Wir hatten nicht mal eine Hochzeitsfeier gemacht, wie sie es erwartete. Doch später luden wir sie ein und gaben ihr zu Ehren für alle guten Bekannten ein Essen. Sie blieb eine Weile bei uns. Wir hatten nicht den Bräuchen gemäß geheiratet, wie sie es gewollt hätte, aber weil sie sah, daß ich letztendlich mein Leben mit einem Juden vereint hatte, war sie glücklich. Außerdem war mein Ehemann auch Türke … Zwar aus Izmir, aber Türke. Was konnte sie mehr verlangen … Damit tröstete sie sich dann auch.
Diese Ehe war für David die zweite. Er wich einem Gespräch über seine erste Ehe stets aus, doch aus dem, was er erzählte, entnahm ich, daß er eine schlimme Erfahrung gemacht haben mußte. Er war sehr verletzt, sehr mitgenommen, sehr wütend … Ich fürchtete, dieser sein Zustand könne sich auf unsere Ehe auswirken. Ich mußte mich auch vor mir selber fürchten. Auch ich hatte meinen inneren Groll. Auch ich war zutiefst wütend aufs Leben, auf das, was ich erlebt hatte. Ehrlich gesagt wurde unsere Ehe auf der Grundlage von einigen Ängsten geschlossen. Diese Erkenntnis kam mir natürlich erst im Lauf der Jahre. Als ob das nicht gereicht hätte, wurde ich nach einer Weile mit einer noch schmerzlicheren Wahrheit konfrontiert … In Wirklichkeit war David in einer ganz schlimmen Lage, er war richtiggehend psychisch krank. Du wirst nicht glauben, wie er sich veränderte. Und, du wirst es wieder nicht glauben, ich war inzwischen schwanger. Die Vernunft sagte mir, ich müsse das Kind in meinem Leib sofort abtreiben lassen. Ich war durch die Beziehung dermaßen verstört, die Ehe hatte mich dermaßen enttäuscht. Doch eine Stimme in mir, ich weiß nicht, woher sie kam, verhinderte die Abtreibung. So als wäre dies meine letzte Chance. Vorher hatte ich schon zwei Ausschabungen gehabt … Na ja, das erfährst du auf diese Weise nun auch. Ich entschloß mich, das Kind auszutragen. Im schlimmsten Fall würde ich mich scheiden lassen und das Kind allein aufziehen. Ich würde so viel und so lange allein leben können, wie ich wollte. Außerdem hatte ich endlich keinen Druck mehr aus meiner Umgebung … Du wirst mich nun fragen, was er als Psychopath so machte. Zum einen erwies er sich als krankhaft eifersüchtig. Er mischte sich ein, wenn ich Miniröcke und dekolletierte Kleidung trug. Ich dagegen zog mich wahnsinnig gerne so an. Wenn ich in einem Restaurant mit dem Kellner scherzte oder in einer Bar von unserem Tisch aus den Tanzenden zulachte, sagte er, ich sei eine Hure, kokett und sexbesessen. Mit der Zeit erfuhr ich, warum er so war, aber obwohl ich oft versuchte, mit ihm zu reden, obwohl ich mir viel Mühe gab, konnte ich ihn irgendwie nicht verändern. Er war von seiner ersten Frau, einer polnischstämmigen Jüdin, betrogen worden. Das konnte er nicht vergessen, er sah es sogar als sein Schicksal an … Aber es gab noch etwas Schlimmeres, das er mir eines Nachts, als wir uns sehr nahe gekommen waren, in betrunkenem Zustand gestand. Vor vielen Jahren, noch in seiner Kindheit, hatte er seine Mutter mit dem Geschäftspartner des Vaters im Bett erwischt … Als er eines Tages früher von der Schule heimgekommen war … Er hatte es vergessen wollen, doch das schaffte er irgendwie nicht, und den Schmerz, der sich langsam in einen Albtraum verwandelte, verbannte er in sein Inneres … Wie in einer Therapiestunde, nicht wahr? … Es gibt so viele Beziehungen, die aus ähnlichen Gründen zerbrechen. Vielleicht war das, was er erlebte, auch zugleich ganz alltäglich. Man schleppt so viele Probleme, so viel
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