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Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
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Frau in mein Leben getreten sei. Ich konnte verstehen, weshalb er diese Frage stellte. Ich antwortete ganz aufrichtig. Es hatte nie etwas Ernstes gegeben. Das war mir auch nie nötig erschienen. Außer ein paar kleinen Seitensprüngen auf Auslandsreisen … Çela hatte das manchmal mitbekommen, manchmal nicht. Wenn sie etwas bemerkt hatte, hatte sie sich mit ein paar kleinen Sticheleien begnügt. Wobei sie nie die unterdrückte Frau spielte … Im Gegenteil, sie verhielt sich in gewisser Weise nachsichtig wie eine Mutter … Kurz gesagt war unsere Ehe in dieser Hinsicht wie eine von Millionen Ehen in dieser Welt. Mit aller Gewöhnlichkeit und Entschlossenheit, mit allem Durchstehen … Es gab ja einen Preis für das Dableiben und Nicht-Weggehen … Während wir bei diesem Thema waren, nahmen wir schon in einem der Restaurants am Strand Platz. Ich überlegte, meinem Freund, dem ich schon so viele meiner Gefühle mitgeteilt hatte, auch Berfin nicht zu verheimlichen. Vielleicht wollte ich davon erzählen. Ich versuchte, meine Gefühle in Worte zu fassen. Er sagte, ich solle bis zum Ende gehen, ich solle ausleben, was mir möglich sei. In der Zeit, in der ich lebte, sei es möglich, diesen Appell ernst zu nehmen. Es gab aber eine Realität, die er übersah. Wir waren ganz unterschiedliche Charaktere. Wir blickten mit unterschiedlichen Einstellungen aufs Leben … Mit anderen Befürchtungen, anderen Gefühlen … Trotz all unserer Gemeinsamkeiten … Deswegen konnte ich ihm nicht erklären, daß mich bei dieser Geschichte vor allem die wollüstige Phantasie fasziniert hatte. Es war aber trotzdem gut, darüber zu reden, reden zu können. Dieses Gefühl verdankte ich zweifellos seiner Frage, ob eine andere Frau in mein Leben getreten sei.
    Dann beendeten wir das Thema. Denn die Rede kam schließlich auf unser ›Spiel‹. Auch er hatte sich dafür begeistert. Er hatte viel Spaß daran, seine Rolle erneut zu übernehmen. Noch dazu, nachdem er sich schauspielerisch so entwickelt hatte … Er sprach wieder davon, daß er in einer Theaterschule eine Ausbildung genossen habe, indem er wie immer geistreiche Bemerkungen über die Menschen machte, die er dort kennengelernt hatte … Später hatte er das Stück eines Freundes angeschaut. Es war von einer Amateurgruppe gespielt worden, die mit Hilfe des Städtischen Theaters von Haifa gegründet worden war. Niso war sehr beeindruckt gewesen. Nach dem Spiel hatte er gesagt, er wolle in so einer Gruppe mitmachen.
    »Ich nahm das Angebot sofort an. Sie mußten sich eigentlich nicht sehr anstrengen, mich zu überreden … Die Gruppe arbeitete im Geist von Amateuren, doch es war nicht gratis, an den Arbeiten teilzunehmen. Du mußtest im Jahr dreitausend Schekel bezahlen, dann jeden Donnerstag von abends um acht bis Mitternacht und länger arbeiten und hattest dafür den Spaß, mit gleichgesinnten Verrückten zusammenzusein … Bis zum Monat Mai … Da wurde das Spiel des Jahres ausgewählt, und nach zwei Probelesungen wurden die Rollen verteilt. Nach zwei Monaten ging es auf die Bühne … Was habe ich nicht alles gespielt … In Die kahle Sängerin von Ionesco die Rolle des Mr. Smith, in Was Ihr wollt von Shakespeare den Sir Toby, in Der Trojanische Krieg findet nicht statt von Giraudoux den König Priamos … Becketts Warten auf Godot wurde in einer seltsamen Bearbeitung von zwölf Personen gespielt. Auch darin hatte ich eine Rolle. Und nun halt dich fest, wir bereiten Der Preis von Arthur Miller vor. Rate mal, welche Rolle ich spielen werde …«
    Als er das sagte, lächelte er unaufhörlich. Er schaute fragend. Ich merkte, daß er mich wieder an einen Punkt zu führen versuchte, der in uns allen tiefe Eindrücke hinterlassen hatte, und daß er sehen, hören wollte, an was ich mich noch wie weit erinnerte. Natürlich erinnerte ich mich, und zwar sehr gut. Dort lagerte wieder ein Bild unserer unverzichtbaren Geschichte. Sich nicht zu erinnern wäre sogar der Leugnung einer Existenz gleichgekommen, die auf dieser Geschichte begründet war. Doch ich mußte zeigen, an was ich mich wie erinnerte. Ich schaute ihm ebenfalls lächelnd in die Augen.
    »Das wird dir nicht schwerfallen … Ich bin aber wirklich neugierig, mit welchem Akzent du das spielen wirst …«
    Wir waren wieder viele Jahre in die Vergangenheit zurückgegangen … Was für unvergeßliche Erinnerungen hatten wir doch in bezug auf dieses Stück … Es war unmöglich, sich nicht zu erinnern. Wir waren noch sehr jung gewesen.

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