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Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
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Deswegen hatten wir diese erneute Begegnung trotz all unserer Ängste, trotz der Jahre, trotz des Lebens, der Menschen und Verluste nicht abgelehnt, nicht verschieben wollen. Für andere mochte die ›Schauspieltruppe‹ keinerlei Bedeutung haben. Für uns aber doch. Diese Überzeugung war genug, mußte mehr als genug sein … Ich sah, daß sie meinen Worten lächelnd, ohne anzügliche und spöttische Bemerkungen, ganz ernsthaft und gewiß beeindruckt zuhörten. Ich fuhr fort, daß jeder von uns auf seine Weise erwachsen geworden sei. Die Kämpfe, die wir hatten durchmachen müssen, hätten wir teilweise so nicht gewollt, dennoch hätten wir sie durchgestanden und dadurch in gewisser Weise uns selbst gewonnen. Der Traum, dieses ›Stück‹ erneut auf die Bühne zu bringen, mochte manch einem ziemlich sinnlos, sogar als Quatsch vorkommen. Doch wir müßten in diesem Punkt ganz anders, anders als alle anderen denken. Unsere Vergangenheit erwarte von uns diese Einstellung. Außerdem sei dieses ›Spiel‹ nicht bloß ein Spiel. Ich glaubte sogar, wir alle bräuchten diese Begeisterung. Ich irrte mich nicht, diesmal irrte ich mich nicht. Ich hätte mich in meinem Leben viele Male geirrt, auch mein Leben sei voll von Irrtümern, doch dieses Mal hätte ich mich schlichtweg nicht geirrt … Anders hätte ich mir unser Zusammenkommen nicht erklären können … Nach dieser langen, gefühlsbetonten Einleitung war es an der Zeit, über die paar Schritte zu sprechen, die ich unternommen hatte, um das ›Stück‹ auf die Bühne zu bringen.
    »Ich habe den Text gefunden und sogar ein wenig daran gearbeitet. Doch ab einem gewissen Punkt habe ich aufgehört. Denn eigentlich müssen wir die notwendigen Veränderungen gemeinsam vornehmen. Oder einige Stellen ganz neu schreiben … So wie vor Jahren auch … Außerdem habe ich noch etwas unternommen, damit wir wieder diese Begeisterung wie vor Jahren erleben. Ich bin in die Schule gegangen, habe mit dem Direktor gesprochen und die notwendige Erlaubnis eingeholt: Die Bühne ist nun ebenso bereit wie der Saal. Wir können ihn sogar an den Wochenenden für ein, zwei Proben benutzen.«
    Die Freude auf den Gesichtern verstärkte sich noch bei diesen Worten. In dem Moment mischte sich auch Çela ein. Dabei wendeten sich ihr alle Blicke zu.
    »Jetzt werde auch ich ein paar kleine Mitteilungen machen. Erstens braucht ihr Kostüme. Eure alten Kostüme werdet ihr nicht mehr haben. Und wenn, dann paßt ihr sowieso nicht mehr rein! … Ich habe eine Schneiderin für euch gefunden. Einzelne Teile können wir auch kaufen. Wie ihr es für richtig haltet. Zweitens habe ich jemanden gefunden, der das Bühnenbild anfertigen kann. Das ist ein junger Architekt, der auch in unserem Verein bei einigen Stücken das Bühnenbild gestaltet. Für all das brauchen wir natürlich ein bißchen Geld. Das könnt ihr untereinander klären. Drittens kann ich wahrscheinlich einen Teil der Eintrittskarten in unserem Verein verkaufen. Zumindest werdet ihr nicht vor leeren Reihen spielen!«
    Diese Worte wurden mit leichtem Lachen und Ausrufen der Bewunderung aufgenommen. Als hätte sie schnurstracks für dieses ›Spiel‹ alle ihre Beziehungen ungeniert benutzt. Ich hörte das genau wie die Anwesenden zum ersten Mal. Ich war überrascht und freute mich sehr. Verstohlen lächelnd schaute sie zu mir her und erhaschte Überraschung und Zufriedenheit in meinem Gesicht. Auf diese Weise hatte sie auch die Gelegenheit, meinen so sehr geschätzten Freunden zu zeigen, mit was für einer Frau ich verheiratet war. Tat ich ihr unrecht? … Vielleicht. Außerdem mußte ich in jenem Moment eher auf das Ergebnis schauen. Daß sogar sie sich um das ›Stück‹ kümmerte, war bedeutsam genug. Die um den Tisch Sitzenden dachten ebenso. Da schaltete sich auch Şeli ein, die sagte, sie wolle einen Teil der Karten übernehmen, und außerdem sollten wir anstelle des Wortes ›Billett‹ lieber ›Einladung‹ sagen … Sie würde sich auch um den Druck der Einladungskarten kümmern. Zudem könnte es eine Art von Spendensystem geben. Jeder könne geben, soviel er wolle. Und wir würden die gesammelten Gelder an eine wohltätige Einrichtung geben, die wir für passend hielten. Sie wisse nicht, ob alle mit diesem Gedanken einverstanden seien. Dies sei nur ein Vorschlag … Durch die Beteiligung der Frauen bekam das Spiel, von dem ich nicht gewußt hatte, wie es sich entwickeln würde, und das ich ursprünglich aus einem ganz anderen Geist

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