Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach
heraus auf den Weg gebracht hatte, einen professionellen Touch. Das steigerte meine Begeisterung. Es war aber nicht allein meine Begeisterung, sondern, wie ich spürte, die aller Anwesenden. Und obwohl es so aussah, daß sich bei der Verteilung der Karten beziehungsweise Einladungen jene ›bourgeoisen‹ Beziehungen einschalteten, die wir in der Vergangenheit abgelehnt hatten, gewannen wir durch die gute Absicht, die eingesammelten Gelder einer Einrichtung zu spenden, wenigstens in Gedanken eine ›sozialistische‹ Haltung! Das Gespräch wurde immer intensiver. Daraufhin sagte ich, die ganze Situation erinnere mich an einen Film. Da träfe sich eine ›Gruppe‹ nach Jahren wieder, um an einem Auftritt von früher zu arbeiten und die Einnahmen aus dem Spiel zu spenden, genauer gesagt, um das Land ihrer Kindheit zu retten. Unerwartet schloß sich hier der Kreis. Hätte Şeli diese Spendenangelegenheit nicht angesprochen, hätte ich womöglich die Ähnlichkeit nicht gesehen. Zweifellos waren unsere Erzählungen ganz anders, wir alle waren ganz anders, aber diese Ähnlichkeit war wirklich unübersehbar. Auch Niso sah das, was ich sah, und er versuchte auf seine wie immer begeisterte Art, uns alle an den Film zu erinnern.
»Blues Brothers! … Was für ein Film aber auch! Du hast recht …«
In dem Augenblick hatte ich den Eindruck, jeder am Tisch sah im Geiste andere Filmszenen vor sich. Vielleicht hatten wir den Film in unseren ganz unterschiedlichen Lebenslagen angeschaut und dabei uns irgendwie an uns erinnert … Das war mein Gefühl, und ich war mir sicher, das war das Gefühl aller. Der Geist jener Band ähnelte dem Geist der ›Schauspieltruppe‹, hatte eine ähnliche Lebensfreude … Auch Şeli mischte sich plötzlich ein. Als wollte sie zeigen, daß auch sie den Film kannte, sich an ihn erinnerte …
»Wenigstens aber kommen wir nicht in den Knast! …«
Mit diesen Worten verband sie sicherlich keinen Hintergedanken. In der Absicht, uns alle zum Lachen zu bringen, hatte sie eine weitere Schnodderigkeit von sich gegeben, man mußte keine andere Begründung suchen. Doch in dem Moment konnte ich Necmi nicht anschauen. Unter uns war einer, der den Knast von innen kannte. Wobei er außerdem einen hohen Preis bezahlt hatte, gezwungenermaßen … Ein seltsames, absurdes Schuldgefühl ergriff mich in dem Augenblick. Mußte ich mich schuldig fühlen? … Nein, natürlich nicht. Wenn ich gesagt hätte, daß ›drinnen‹ und draußen‹ sich inzwischen ziemlich vermischt hätten und wir alle, indem wir unsere Sicherheitsräume verteidigten, sozusagen durch Eisengitter aufs Leben blickten, hätte ich die Situation sowohl für mich als auch für alle etwas erträglicher machen können. Schließlich hatte auch ich gelernt, wie man mit nebulösen Gedanken von manchen tiefen Wunden des Lebens ablenken konnte. Doch irgend etwas hielt mich zurück. Ich wollte nicht unaufrichtig werden wegen des Gefühls, das mich ergriff. Aus dieser Sorge heraus gab ich weder Şeli eine Antwort, noch konnte ich das Thema wechseln. Am Tisch breitete sich ein bedrücktes Schweigen aus, das man mit Lächeln zu überdecken versuchte. Offensichtlich hatte nicht nur mich das Gesagte verstört. Zudem sah ich auf dem Gesicht der Sprecherin Bestürzung. Doch es war nun mal passiert und nicht rückgängig zu machen. Das Schweigen unterbrach Necmi, der nach meinem Gefühl sehr wohl wußte, worum es ging. Er schaltete sich gerade rechtzeitig ein.
»Es gibt noch einen Unterschied … Wir wissen nicht, wohin wir die Spende geben wollen …«
Erleichterung breitete sich bei diesen Worten auf allen Gesichtern aus. In seiner Stimme lag keine Verletztheit. Er hatte nicht einmal die Absicht, auf jene Tage anzuspielen, deren Spuren nie gelöscht werden würden, obwohl sie so weit zurücklagen. Was geschehen war, war geschehen, war irgendwo abgelegt worden … Zumindest war es das, was ich in dem Moment aus seiner Stimme heraushören konnte. Doch nun war es unmöglich, länger darüber nachzudenken. Die Gespräche flossen dahin und konnten uns alle jeden Augenblick an neue, andere Orte bringen. Die Worte von Yorgos, der im Vergleich zu früher viel ruhiger wirkte, eine innere Ausgeglichenheit gefunden zu haben schien, genügten, um diese Möglichkeit zu verstärken.
»Die Spende ist jetzt nicht so wichtig, Freunde … Sind wir nach so langen Jahren deswegen zusammengekommen? … War die Absicht nicht, uns wiederzusehen? …«
Man hätte denken können,
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