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Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
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gemacht haben … Es drängte sie wohl, danach zu fragen. Wieder fand ich keine befriedigende Antwort. Ich konnte nur sagen, daß das Problem tiefer liege. In dem Augenblick fühlte ich einmal mehr die Kluft, die Entfernung zwischen uns. Ich konnte ihr keine Schuld dafür geben, daß sie mich nur so weit sehen konnte. Sie beschuldigte mich ebenfalls nicht. Zuerst einmal zog sie es vor zu schweigen. Sie bemühte sich vor allem zu schweigen und die Situation zu akzeptieren. Da … Da wurde mir auch klar, daß sie sehr verletzt war … Später sagte sie mir, zu heiraten und insbesondere ein Kind zu haben sei für sie unendlich wichtig und daß man den Grund für diesen Wunsch sehr tief innen suchen müsse. Sie würde mich nicht vergessen, alles tun, um mich nicht zu vergessen, aber auch alles dafür tun, um ihren Herzenswunsch zu verwirklichen. Wie hätte sich eine Enttäuschung anders ausdrücken lassen. Fürchte die Rache einer sehr enttäuschten Frau! … Diese Worte wiederholte ich mir immer wieder. Zudem spürte ich, daß es ihr mit ihren Worten sehr ernst war. Dennoch machte ich keinen Rückzieher, ließ mich nicht erweichen. Obwohl ich sah, daß ihre Worte wie ein letzter Appell waren … Und obwohl ich wußte, daß sie sich nur äußerlich hart gab … Ein paar Tage später trennten wir uns … Meine Mutter war sehr traurig. Sie mochte Nihal sehr. Nihal mochte sie ebenfalls sehr gerne. Seither sind Jahre vergangen, trotzdem sehen sie sich noch immer, wenn auch nicht oft. Auch wir beide treffen uns ab und zu. Ein paar Monate nach unserer Trennung heiratete Nihal einen reichen Geschäftsmann, einen Börsianer. Sie selbst setzte mich davon in Kenntnis. Indem sie mich eines Nachts anrief … Als sie anrief, war sie eigentlich noch nicht verheiratet, sie sagte, sie werde in ein paar Tagen heiraten. Im Hintergrund spielte ein Lied, das wir beide sehr liebten. Es war klar, daß sie es mich hören lassen wollte. Ich fühlte mich sehr mies. Dennoch wünschte ich ihr mit abgedroschenen Formeln viel Glück zu dem Leben, das sie sich erhoffte. Ich konnte nicht leicht verdauen, daß sie einen anderen, noch dazu so schnell, an meine Stelle gesetzt hatte, doch mir war bewußt, daß ich nicht das Recht hatte, ihr auch nur den geringsten Vorwurf zu machen. Ich war es ja gewesen, der ihr gesagt hatte, er wolle sie nicht heiraten. Aber aus welchem Grund betonte sie dann so sehr den Reichtum des Mannes? … Ich weiß es nicht … Vielleicht hatte sie keinerlei Hintergedanken. Vielleicht wollte sie bloß ihre Aufregung, vielleicht sogar Befürchtungen ausdrücken. Vielleicht wollte sie auf ihre Weise Rache nehmen. Vielleicht … Vielleicht erwartete sie auch eine letzte Aufforderung von mir. Daß ich sagte, sie solle alles aufgeben und zu mir zurückkommen … Diese Vermutung begann erst später in mir zu rumoren. Jedesmal, wenn ich an sie dachte, tat es mir leid, und ich fühlte Bedauern. Dann rief sie lange nicht mehr an, fast drei Jahre lang. Ich rief sie ebenfalls nicht an. Es war nicht so, daß meine Hand nicht gelegentlich nach dem Telefon griff. Denn ich sehnte mich manchmal sehr nach ihr. Dann wollte ich glauben, daß auch sie sich sehr nach mir sehnte. Dennoch rief ich sie nicht an, ich konnte nicht. Der Gedanke schmerzte mich, daß sie noch immer Verlangen nach mir haben könnte. Und wenn das so war, hatte ich weder das Recht, sie zu verwirren, noch, mich selbst zu verwirren …
    So verging die Zeit. Eines Nachts, paß auf, wieder eines Nachts, so ist es ja immer, rief sie an, als ich es nicht erwartete. Ich war sehr aufgeregt. Zweifellos spürte sie das. Ich versuchte es auch gar nicht zu verbergen. Denn auch sie war aufgeregt. Das spürte ich ebenfalls. Wir redeten, solange es ging. Sie hatte nun eine Tochter, fast zwei Jahre alt. Sie sagte, sie wolle sich mit mir treffen. Ich fragte nicht, warum sie zu dieser Zeit anrief. Ich willigte sofort ein. Am nächsten Tag trafen wir uns. In der Konditorei Gezi am Taksim-Platz … Sie kam mit ihrer Tochter. Darüber war ich nicht verwundert. Unter anderem fragte ich sie, ob sie glücklich sei … Sie sagte: ›Na ja, die Ehe … Wenn du dir sagst, so ist das eben, dann läuft's auch …‹ Ich wußte, diese Worte bedeuteten etwas. Doch ich ging nicht darauf ein. Ich hatte verstanden, was es zu verstehen gab. Und sie hatte gesagt, was sie sagen konnte. Sie fragte, ob ich ihr böse sei, und ich sagte nein. Tatsächlich war ich ihr nicht mehr böse. Daraufhin fragte sie mich, ob es

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