Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach
dir nicht gesagt, doch ich habe daran gedacht, eines Tages ein kleines Boot zu kaufen. Mit meinem eigenen Geld … Jetzt habe ich Geld, doch diesen Traum schiebe ich immer noch auf, wer weiß aus welchen Ängsten heraus. Ich habe sowieso viele meiner Träume nicht verwirklicht, weil ich nicht mutig genug war. Weißt du, was ich mich manchmal frage? … War das etwa das Schicksal unserer Generation? … Haben wir uns zwischen alle Stühle gesetzt, haben uns irgendwo verirrt, trotz all unserer Erwartungen? … Warum haben wir nicht bemerkt, daß wir, die wir die Welt verändern wollten, uns selbst nicht verändert haben? … Schau, wohin ich geraten bin … Was er auch tun, wohin er auch fliehen mag, der Mensch kann dieses Spiel von versuchtem Selbstbetrug und Betrogenwerden nur bis zu einem gewissen Punkt weiterführen. Bis zu dem Moment, wenn er fühlt, daß sein eigenes Haus brennt und ihm alles wieder zu Bewußtsein bringt … Das Feuer brennt ja immer da am heißesten, wo es einen selbst trifft …«
Ich hätte weitermachen, fortfahren können, wer weiß, woran ich mich noch alles erinnert hätte. Wenn ich weitergeredet hätte, wer weiß, worauf ich gekommen wäre. Doch plötzlich hielt ich inne … Ich hatte eine Redewendung verwendet, die ich nicht hätte gebrauchen sollen, ohne an die möglichen Auswirkungen zu denken. Es stimmte, das Feuer brannte am heißesten, wo es einen selbst traf. Das waren in dem Moment die passendsten Worte für meine Gefühle gewesen. Doch wenn ich bedachte, was sie erlebt hatte – wie konnte ich diesen Ausspruch so leichthin verwenden, ihn geradezu banalisieren? … Und wenn sie mich hörte? … Eine Weile wußte ich nicht, wie ich mit meiner Befürchtung fertig werden sollte. In Wirklichkeit schwieg ich nur wenige Augenblicke. Der Zeitraum war nur kurz, doch angefüllt mit einer ganzen Geschichte, voll von Assoziationen und Abgründen, die sich aus diesen Assoziationen ergaben … Eigentlich war aber die Frage, die mich beunruhigte, auch Anlaß für eine Hoffnung. Hörte sie mich wirklich? … Ich konnte das kaum feststellen. Sie malte weiter an ihrem Bild. Die steilen Felsen nahmen langsam Form an. Sie war immer noch weit in der Ferne, oder vielleicht wollte sie in weiter Ferne bleiben. Vielleicht hatte ich mich umsonst aufgeregt. Vielleicht hatten wir beide nur Selbstgespräche geführt … Wer weiß? … Ich fühlte, ich würde auf vielen Wegen vielen Antworten begegnen … Ganz plötzlich bog ich in einen von diesen Wegen ein. Ich erinnerte mich an einen der wichtigsten Momente unseres Gesprächs vor vielen Jahren.
»Du hast mir ja in jener Nacht gesagt, ich solle ich selbst sein, nur ich selbst, und ich weiß nicht, ob mir das in den vergangenen Jahren wirklich gelungen ist. Offen gesagt wußte ich auch nicht, was ich, um ich selbst zu sein, machen konnte, was ich machen mußte. Ich habe einfach erlebt, was mir möglich war. Vielleicht war ich auch ich in dem, was ich nicht wußte. Vielleicht mußte ich auch gar nicht weitersuchen. Ich habe geheiratet, ich habe mich an ein Leben festzuklammern versucht, auf dessen Zuverlässigkeit ich mich verlassen wollte. Ich habe eine verständnisvolle Frau, die aus der Kraft ihrer Werte alles tut, um sich selbst und ihrer Familie keine großen Probleme zu bereiten. Eine Frau, die mit kleinen Leidenschaften und kleinen Kalkulationen lebt und so ihr Leben abwechslungsreich zu gestalten meint … Ich habe einen Sohn und eine Tochter. Damit meine Familie eine richtige Familie ist. Sie wachsen auf ihre Weise auf. Vielmehr glauben sie, erwachsen zu sein. Sicher werden sie auch ihren Weg machen. Wer weiß, was sie noch alles erleben werden …«
Ich hielt wieder inne, als ich die Sache mit den Kindern in dieser Weise erwähnte. Es kam mir so vor, als würde ich sie mit allem, was ich sagte, verletzen. Ich konnte mich dieser Furcht nicht entziehen. Ich schwieg noch ein wenig. Wiederum nach einer kurzen Weile versuchte ich ihr eine andere Seite von mir zu zeigen.
»Inzwischen habe ich meine Fotografie, über die ihr euch damals lustig gemacht habt, ziemlich ausgebaut. Ich mache inzwischen sehr gute Bilder. Manchmal denke ich sogar daran, eine Ausstellung zu eröffnen. Vielleicht zeige ich dir einige Fotos bei einem meiner nächsten Besuche. Wenn du wüßtest, mit welchen Bildern ich von meinen Auslandsreisen zurückgekehrt bin … Ich bin viel gereist, habe viele Städte und Menschen gesehen. Diese Fotos muß ich dir zeigen, unbedingt
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