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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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nicht unter Druck. An Jom Kippur wird es zu einer erneuten Verhandlung zwischen uns kommen, und ich werde bescheidener sein denn je. Mein Junge wird in der Frauenempore Knabberzeug essen und wird durch das Gitter Väter betrachten, denen nicht das Gefühl abhandengekommen ist, und er wird fragen: »Warum ist mein Vater …«, und jemand wird hinzuspringen und sagen, psst, leise, psst …
    Nachdem er die wichtigsten Neuigkeiten erfahren hatte, räumte Jonathan den großen Hut und die zwei Wasserflaschen zurück, die er für die Suche nach seinem Schwager vorbereitet hatte. Die Eltern des verlorenen Sohnes verließen ihre Springbrunnen, die richtiges Wasser spritzten, gingen zum Telefon und fragten: »Was heißt das, er kommt nicht nach Hause zurück? Was ist mit der Karriere, dem Jungen, dem Lebensunterhalt. Vielleicht hast du ihn nicht richtig verstanden … Was, ist er komplett verrückt geworden?«
    »Ihr habt seine Handynummer, versucht es selbst.«
    Es war nicht einfach, die Nachricht nicht in Gath und auf den Gassen zu Askalon zu verkünden.
    Madonna und Amjad sahen, wie ich zurückkam, und sie verstanden von sich aus, dass der Ehemann ihrer Chefin zwar noch am Leben war, aber trotzdem nicht vorhanden. Madonna sagte: »Ich sage dir, da steckt eine Frau dahinter, aber am Schluss wird er zurückkommen, sie kommen am Schluss immer zurück.«
    Amjad sagte nichts, ihm blieben nur noch wenige Stunden im Laden, was hätte er über eine Zukunft sagen sollen, die nicht seine war.
    Er kochte mir einen Kaffee, stellte mir zwei Datteln und drei Feigen hin, die er von zu Hause mitgebracht hatte, und sagte: »Ich bringe euch Olivenöl, das man bei uns macht. Es gibt schon welches von diesjährigen Oliven. Es hat einen viel kräftigeren Geschmack. Stärker als das Flaschenöl, das in Fabriken gemacht wird.« Er stand an der Theke, betrachtete mich besorgt und wartete, dass ich den Kaffee trank.
    Madonna sagte: »Ich bringe deinem Jungen einen Pfau, wie ich einen für Amjads Kinder gebracht habe.«
    Ich hatte nicht gewusst, wie bedauernswert ich den beiden vorkam, die mich für etwas trösten wollten, was sie nicht verursacht hatten. Ich liebte sie beide und dachte, hoffentlich fällt das Urteil über ihre Zukunft, das in diesen Tagen im Himmel gefällt wird, gnädig für sie aus, hoffentlich bekommt Amjad einen Gehaltszettel mit Rentenversicherung und Krankenkasse und fühlt sich im roten Hemd mit dem Logo des Billigmarkts wohl, hoffentlich wird Rivka Schajnbach glücklich, hoffentlich kommt das Glück aus ihr selbst und nicht aus der Flasche. Aus den Schachteln drangen Zwitschern und Schlagen, Madonnas Zoo meldete Vorwürfe an, und sie empfand das Bedürfnis,  mit ihnen durch ihre Mägen zu kommunizieren, sie streute den einen Körnern und eingeweichte Brötchenbrocken hin und verkündete ihren kleinen Gefangenen: »Was habt ihr, ihr solltet Danke sagen. Ihr wisst ja gar nicht, was für ein gutes Leben euch erwartet, was ist, auch Menschen sind stundenlang in einem Flugzeug eingesperrt, wenn sie von einem Platz zu einem anderen umziehen.« Siehüpfte von einer Schachtel zur anderen, und ihr Kleid warf lilafarbene Flecken auf Getränkeflaschen und Konservendosen.
    »Bist du schon einmal geflogen?«, fragte Amjad.
    »Warte, ich hab noch nicht mit meinem Leben angefangen. Ich? Mein erstes Ausland wird New York sein. Wenn ich erst mal anfange, dann richtig groß.« Sie schaute hinaus auf die Straße, dahin, wo der Mercedes gestanden hatte, als er sie am Morgen brachte.
    Ich steckte die drei Datteln in eine Plastiktüte, um sie Nadav mitzubringen, das Telefon klingelte, Amos fragte, ob es etwas Neues gab.
    »Dein Vierradantrieb ist nicht mehr nötig.« Ich erzählte ihm in Kürze, was los war, denn was war ein Mann, der sein Gefühl verloren hatte, doch nur ein Klacks im Vergleich zu einem Mann, der sein Kind überfahren hatte. Das Problem mit den großen Katastrophen ist, dass sie die kleinen unbedeutend werden lassen, wenn man sie von oben betrachtet. Ich fragte, wie es dem Alten ging.
    Amos sagte, man habe ihm schon einen Teil der Schläuche entfernt, er gehe bereits ein paar Schritte auf der Station herum und schimpfe, weil schon alles für sein Verlassen der Welt bereit gewesen sei und plötzlich habe er einen Aufschub bekommen und müsse nun erneut mit dem ganzen Theater beginnen.
    Ich hatte kein Geschenk für Amjad vorbereitet, deshalb füllte ich Nahrungsmittel in einen Korb, Sardinen, Erbsen, Kekse und

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