Wodka und Brot (German Edition)
schwöre ich, Herr Wachtmeister, ich bin seine Frau, ich weiß es, er hat schon mal versucht, sich umzubringen, wer weiß, ob er nicht gefährlich für die Öffentlichkeit ist, man kann ihn nicht …«
»Gehen Sie zum Revier und erstatten Sie eine Anzeige, meine Dame. Ich bin Verkehrspolizist.« Er betrachtete Gideon prüfend und suchte nach Anzeichen von Wahnsinn bei dem kahl rasierten, harten Mann, der so ruhig vor ihm stand, als warte er auf den Autobus, der nichts sagte, nicht fluchte, nicht lachte, dem keine Spucke aus dem Mund lief und der nicht öffentlich seine Hose aufknöpfte.
»Sie ist aufgeregt, sie wird sich beruhigen.« Die ruhige, bedachtsame Stimme meines Mannes funktionierte und bewirkte, dass man ihm glaubte, er stellte die Situation auf den Kopf und machte mich zur Verrückten.
»Gehen Sie in den Schatten«, schlug der Polizist vor und legte mir väterlich die Hand auf die Schulter, als wolle er sagen: Trinken Sie etwas Kaltes, nehmen Sie eine Tablette zur Beruhigung.
Mit der Hand auf meiner Schulter wandte er sich an Gideon. »Frauen bekommen manchmal Angst und geraten durcheinander.« Und bevor er ging, fragte er zur Sicherheit und um dem Protokoll Genüge zu tun: »Hat er jemals die Hand gegen Sie erhoben? Kam es zu häuslicher Gewalt? Hat er etwas kaputt gemacht? Irgendetwas?«
»Nein, nie. Im Gegenteil, er hat mich sehr geliebt, bis er von dieser Krankheit überfallen wurde, die ihn zu einem Zombie gemacht hat. Er liebt nicht, und er hasst nicht, er ist ein Automat …«
»He, mein Herr, bleiben Sie stehen, sehen Sie nicht, dass man hier nicht einbiegen darf?« Der Polizist unterbrach mich, reckte den Hals, erhob sich über uns und streckte den Arm des Gesetzes zur Seite, straffte sich und wandte sich dem Gott der Dinge zu, die wirklich geschahen, ein Lieferwagen wollte abbiegen, wo er nicht durfte. Die Kirchenglocken verkündeten, dass die Welt eine Stundeälter geworden war, auf dem rasierten Schädel zeigten sich Schweißtröpfchen, zumindest gehorchte die Biologie dem Gesetz, der Schweiß floss vom Schädel ohne Rücksicht auf den Kurzschluss, der unter ihm stattgefunden hatte.
»Ich liebe dich, Gideon. Wenn dein Gedächtnis sich noch nicht aufgelöst hat, dann nimm diese feierliche Deklaration mit.« Die Kathedrale und das Polizeigebäude waren meine Zeugen.
»Mein Gedächtnis ist wirklich kaputt«, sagte er, aber ich ging weiter, mit langsamen Schritten, um einen dramatischen Abschied zu vermeiden, um keine scharfe Bewegung zu machen, damit nichts passierte und irgendwelche noch nicht abgestorbenen Gefühlszellen eine Chance hätten. Er begleitete mich bis zum Auto, meine Hand würde verbrennen, würde ich ihn auch nur leicht berühren, selbst wenn sich unsere Arme nur zufällig aneinanderreiben oder eine Rippe mit einem Ellenbogen zusammenstoßen würde, aber seine Hände steckten tief in den Hosentaschen. Es war mir egal, ob er krank war, ein Zombie, ein Automat, meine Sehnsucht wuchs und wuchs. Nach Gottes Gesetz und nach menschlichem Gesetz war dieser Mensch mein Mann, und wir waren ein Fleisch, ich berührte seinen Arm, fuhr zart über die Haare, die da wuchsen, schob meine Hand in seine Tasche, meine Finger glitten über die Vertiefungen zwischen seinen Fingern, suchten die vertrauten Nischen und fanden eine harte, gleichgültige Hand. Ich schob meine Finger in seine Handfläche, drückte vier Nägel, die nicht dafür geschnitten worden waren, in sein Fleisch, das nicht darauf reagierte. Vielleicht hatte er das Gefühl wegen einer Geschwulst verloren, die in ihm wuchs, oder wegen einer anderen Krankheit, meine Fingernägel, die von nichts zurückgehalten wurden, bohrten sich wild in seine tote Hand,wieder und wieder, dann zog ich sie mit derselben Wildheit aus seiner Tasche, sie waren mit seinem Blut beschmiert.
Er zog seine Hand heraus, sah die vier blutenden Wunden und sagte: »Eine gründliche Arbeit«, zog ein Taschentuch aus der anderen Tasche, wickelte es um seine Hand und hielt sie mir dann hin, um sich von mir die Zipfel zuknoten zu lassen.
»Wenn wir schon hier sind, kannst du eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt machen«, sagte ich und verband seine Hand mit dem Taschentuch. Trotzdem ist er gut weggekommen, ich habe nicht angefangen zu schreien, ich habe keine Polizisten von ihren Stühlen aufgescheucht, außer diesem einen Verkehrspolizisten, ich habe nicht die Scheidung verlangt, keine Unterhaltszahlungen, keinen Besitz, alles in allem habe ich darum
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