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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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bei Gericht erschienen oder zu einer Verabredung mit einem Mandanten, jetzt will er Ruhe, genauwie du, er möchte weg von der Gesellschaft der Menschen, du würdest dich nicht mit ihm unterhalten müssen, du gibst ihm Anweisungen und kannst ihn vergessen, er wird alles tun, was man ihm sagt  …« Ich betonte alle Vorzüge des Mannes, der sich aus meinem Leben gerissen hatte, ich übertrieb seine Fähigkeiten, ich war wie eine Heiratsvermittlerin, die zwei Parteien zusammenbringen wollte, um den Fall abzuschließen. Ein blasser, kränklicher Mond tauchte im Osten auf, erhob sich verwirrt über den Horizont, hastete den Himmel hinauf und verringerte die Dunkelheit.
    »Ich bin bereit, es mit ihm zu versuchen«, sagte er.
    Mein Dank kam aus meiner Kehle wie ein Brocken, der darin festgesteckt hatte, und auf seinem Weg zog er auch die Kopfschmerzen mit. Ich war leer und müde, mein Kopf war ganz leicht, Gideon wird eine Arbeit haben, eine Adresse, er wird unter der Obhut dieses asketischen Mannes sein, die neue Arbeit wird das Rad aufhalten und es, so Gott will, zurückdrehen. Ganz ohne Zweifel war Gott in den ruhigen, dunklen Bergen aufmerksamer.
    Er brachte eine große Kiste, lud mich zum Sitzen ein und setzte sich neben mich. Das Schicksal hatte mich mit diesem fremden, kühlen Mann zusammengebracht, zufällig, wie zwei Menschen im Wartezimmer eines Arztes nebeneinander auf einer Bank sitzen und ein paar Worte miteinander wechseln, bis einer von ihnen hineingerufen wird. Wenn er wieder herauskommt, murmelt er ein ›Gute Besserung‹, und wenn er das andere Ende des Flurs erreicht, hat er schon alles vergessen. Trotzdem ist eine Kiste, auf der ein Mann und eine Frau in der Dunkelheit sitzen, keine Bank in einem Wartezimmer, und die atmende Stille war sehr lebendig. Ich dachte, wir sollten über etwas Fernes und Geheimnisvollessprechen, zum Beispiel über Gott, aber für Gott braucht man Kraft, und die hatte ich nicht. Ich erzählte ihm von Madonna, die eigentlich als Rivka Schajnbach geboren wurde, von ihrem verstorbenen Vater, von dem Lippenstift, mit dem sie sich den Mund angemalt hatte, als er begraben wurde, von dem spitzen Stein, den sie auf sein Grab gelegt hatte. Solange ich über sie spreche, dachte ich, muss ich nicht über mich sprechen, aber er unterbrach mich: »Sie interessiert mich im Moment nicht, und ich bin sicher, dich auch nicht. Du brauchst keine Angst vor der Stille zu haben, es gibt sowieso zu viele Wörter auf der Welt.«
    Wir schwiegen. Er lehnte mit den Schultern an der Stallwand, schaute nach oben und richtete drei spitze Dreiecke gen Himmel, seine Nase, sein Kinn und seinen Adamsapfel.  Ich hörte ihn atmen, ich roch die billige Seife, mit der er sich wusch, und schob mein Bein näher zu ihm, sodass mein Oberschenkel seinen berührte. Die Kiste knarrte, ein dumpfes Keuchen kam aus dem Stall. Er legte eine Hand auf mein Bein, die andere um meine Schulter. Wir rechneten nicht miteinander, aber unsere Lust war gesünder und einfacher als wir. Die Hand, die er um meine Schulter gelegt hatte, näherte sich meinem Hals, glitt an ihm herunter und blieb in meinem Ausschnitt liegen, ohne tiefer zu gehen. Es hört sich dumm an, aber das Leben konzentrierte sich in der Vertiefung der Schlüsselbeine, in der fremden Hand, die schwer dort lag. Seine Lippen erinnerten sich an die Stelle auf meinem Kopf und kehrten dorthin zurück, meine Lippen erinnerten sich an nichts und gingen zu seinem Hals und schmeckten trockene, raue Haut, salzige Falten, wanderten zu seinem Kinn, und ich stoppte sie, bevor sie seine Lippen trafen und alle Zäune fielen. Mit einem Mal kam das Leben zu mir zurück, dasmich unabsichtlich zwischen den schweigenden Häusern des Dorfes in Gesellschaft des Alten verlassen hatte, Maja-Mirjam, die Hühner, die Raben, die Hunde und die lange Straße, die die Langeweile in zwei Hälften teilt. Ich kaute meine Lippen, bevor sie selbstständig etwas unternahmen, der dunkle, kahle Berg mit dem einzigen Mann, der ihn bewohnte, gab mir die Sehnsucht nach der großen Stadt zurück, mit ihren blendenden Lichtern und ihren Verführungen, mit ihren Pfiffen und ihrem Flüstern, mit ihren Hinweisen auf Anfänge, mit ihren Versprechungen, die in einer Sekunde geboren werden und in einer Minute sterben, mit Liebschaften, die entstehen und vergehen, all die Erregungen, die Leben bedeuten. Aber das waren lügnerische Vorspiegelungen der Lust, Illusionen im Moment vor dem Zusammenbrechen. Er streichelte

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