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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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den Ausschnitt meiner Bluse, knöpfte sie aber nicht auf. Er küsste meine Wange und meinen Hals, umging aber meinen Mund, er war glühend und verlangend, hatte aber Angst davor, seine Hand vom Ausschnitt und der Schulter wegzuziehen, er blieb dicht neben mir, unsere Oberschenkel berührten sich, unsere Arme berührten sich.
    »Was passieren soll, wird passieren, und wenn nicht, dann soll es nicht sein«, sagte er verschlüsselt und war noch immer sehr dicht neben mir, verlangte nach meiner Nähe.
    Was für eine Verzweiflung lag in allem. Ich hätte gern gesagt, egal was passiert oder nicht, unser Schicksal ist es, allein zu sein. Du bist allein, ich bin allein, Gideon ist allein, dein Vater ist allein, mein Sohn ist allein. Auch wenn zwei zusammen sind, sind sie allein. So ist die Welt, auch deine Pferde, die Hunde und die Katze sind allein. Ich schwieg. Es war nicht die Zeit für Gedankengänge über die Situation des Menschen in der Welt.
    Wir standen auf und gingen ins Haus. Der Hof war übersät mit Steinen und Unebenheiten, er stützte mich, damit ich nicht stolperte, und diese gewohnheitsmäßige und beherrschte Berührung zerriss mir das Herz. Ich wollte ihn, ich wollte jemanden, jetzt, hier, in diesem Moment. Unerfülltes Begehren wird zu einem Lasso, das die Seele einfängt und je nach Wunsch festhält oder lockerlässt.
    Ich schlief neben meinem Jungen, der nicht gemerkt hatte, dass ich weggegangen und wiedergekommen war. Sein Schlaf war tief. Als ich am Morgen die Augen öffnete, war er schon wach, stand im Bett und schaute aus dem Fenster.
    »Ich wünschte, wir würden lange hierbleiben«, sagte er zu der hellen Welt, die sich vor dem Fenster auftat.
    Ich wartete nicht darauf, dass sein Vater anrief, noch bevor ich mir die Zähne putzte, setzte ich mich mit ihm in Verbindung. Er freute sich nicht, weil er die Fähigkeit zur Freude verloren hatte, aber er wollte diese Arbeit. Er fragte, wann er anfangen könne und wie man dort hinkam, und dann fragte er nach der Telefonnummer von Amos, und es fiel ihm schwer, sich die Zahlen zu merken. Nach Geld und Arbeitsbedingungen fragte er nicht. Und ich, die ich lange Zeit nicht mehr gebetet hatte, legte auf und sagte: »Ich danke Dir, König, Lebender und immer Bestehender, dass Du mir in Barmherzigkeit meine Seele wiedergegeben hast, groß ist Deine Treue.« Ich sprang so leicht aus dem Bett, als gäbe es keine Gravitation auf der Welt, es war sehr hell, das Licht strömte ins Zimmer und die Wände warfen den weißen Glanz zurück. Und auch dafür dankte ich Gott.
    Auf dem Esstisch erwartete uns frisches, grobes Schwarzbrot, Tomaten, Gurken, Paprikaschoten, Pflaumenmarmelade und Tee. Der Hausherr hatte sich schon in aller Frühe an die Arbeit gemacht, auf einem Zettel, den er hingelegthatte, stand: »Quark ist im Kühlschrank, auf der Anrichte liegt eine Tüte mit Äpfeln für unterwegs, sie sind schon gewaschen. P. S. Ich habe die Katze mitgenommen.« Ich drehte den Zettel um und war eine Römerin in Rom, ich ersparte mir das übliche Gerede und schrieb nur: »Danke.«
    Der Alte sah aus, als habe er seit gestern am Fenster gestanden und auf uns gewartet. Er war blass, seine Wangentaschen hingen herab, sein Hemd stand offen, die Operationsnarbe ertrug das Scheuern des Stoffs nicht, sie war rot und der Sonne ausgesetzt. Er sagte nichts, er war nicht zornig auf uns, weil wir einfach für einen Tag verschwunden waren, er fragte nicht, wo wir gewesen waren, seine Augen begleiteten uns, als wir den Pfad zum Haus entlanggingen, als fände endlich ein Aufmarsch statt, auf den er lange gewartet hatte. Wir winkten ihm zur Begrüßung zu, er nickte und hob seine knorrige Hand.
    Wodka erwartete uns nicht, er war böse auf uns, weil wir mit der Katze weggefahren waren, und war weggelaufen, um in fremden Höfen um Futter zu betteln. Er hielt uns nicht die Treue, in der kurzen Zeit, die er mit Madonna verbracht hatte, hatte er schnell gelernt, dass alle Menschen lügen. Wir gingen ins Haus, aßen Äpfel aus der Tüte, die Amos für uns vorbereitet hatte, und bevor wir etwas anderes unternahmen, gingen wir zum Friseur.
    »Man hat mir gesagt, dass es mir geschoren gut steht«, sagte ich zu dem Friseur, und er schob die Finger in die Schere und fing an zu schneiden.
    Dann setzte er den Jungen auf das Brett, das den Sitz erhöhte, wickelte ihm einen weißen Nylonumhang um den Hals und schnitt ihm auch die Haare. Zufrieden verließen wir den Salon, frisch geschnitten und mit kleinen

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