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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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ungeduldig die Kipa auf seinen wilden Haaren bewegt, sie war dauernd heruntergerutscht, und er hatte sie wieder festgesteckt. Damals hatte sein Herz durch das Hemd gebrannt. Jetzt bedeckte das Hemdseine Brust und wurde von keiner Glut versengt.
    »Was hat dich nach all den Jahren hierhergebracht?«
    »Keine Ahnung.«
    »Ich habe gehört, dass du richtig gut verheiratet bist. Mit einem angesehenen Anwalt.«
    Der Spott, den ich in seinen Augen sah, löschte den letzten Funken Zuneigung, den ich noch in meinem Herzen trug.
    »Wenn du glaubst, dass ich aus Berechnung geheiratet habe, irrst du dich sehr. Komm, Junge, wir gehen.« Ich zog Nadav hinter mir her.
    »Was ist los? Habe ich etwas Falsches gesagt? Er ist sowohl bekannt als auch angesehen, dein Mann, nicht wahr? Was ist, darf man ihn nicht erwähnen? Wenn er so heilig ist, warum bist du dann gekommen? Kannst du mir das erklären?«
    »Nein. Komm, Nadav, wir gehen.« Ich hielt Nadavs Hand.
    »Das ist das Mindeste, was du mir nach diesem Besuch, den du selbst organisiert hast, schuldig bist.« Er lehnte sich an die Tür und versperrte den Durchgang. Er war nicht dicker geworden seit damals, aber schwerer, die Jahre hatten seine Glieder verdichtet.
    »Außer einer mittelmäßigen Guava schulde ich dir nichts.« Wir standen sehr nahe voreinander, ich hätte seine Wimpern zählen können, ich hätte einen Finger auf das unsymmetrische Dreieck seiner Oberlippe legen und die Stoppeln berühren können, die beim Rasieren übrig geblieben waren, aber er drehte das Gesicht zur Tür und machte sie auf, und wir gingen die Treppe hinunter, Nadav vor mir und Scha’ul Harnoi hinter mir.
    »Dein Zopf ist blasser geworden«, sagte er, und vor unswar eine Pfütze von Kakao. Er nahm mich am Arm, damit ich nicht ausrutschte, und mein Arm bekam eine Gänsehaut, zitterte einen Moment und beruhigte sich wieder. Wir gingen hinaus, über der Feigenstraße stand der Mond, und sein Licht spiegelte sich in Nadavs glänzenden Schuhspitzen. Ein Geruch nach Regen hing in der Luft, obwohl der Himmel wolkenlos war.
    Nadav stieg in den Mazda, schnallte sich an und murmelte: »Kleine russische Hure«, und suchte die Monde, die auf seinen Schuhen erloschen waren.
    »Amia, Amia«, sagte Scha’ul Harnoi und verstreute meinen Namen auf der Straße, und was er danach sagte, stammte aus der Brust Alexander des Großen: »Weißt du, Regierungen kommen und gehen, Heere weichen zurück, und ein Mann und eine Frau sind zwei Länder in der Feuerpause.«
    »Von mir aus«, sagte ich und stieg ins Auto.
    Wir fuhren los, und Scha’ul Harnoi stand auf dem Gehweg vor seinem Haus und hegte die Gedanken eines Politikwissenschaftlers: Der Frieden ist kalt, und das Feuer wird nicht erneuert.
    Nadav sagte: »Wie komisch, er hat dich Kümmelbrot genannt. Morgen ist Freitag, morgen fahren wir nach Modi’in, Jonathan hat meine neuen Schuhe noch nicht gesehen.«
    Er nahm ein Flanelltuch zum Brilleputzen mit nach Modi’in, um den Staub von seinen neuen Schuhen zu wischen. Am Schabbatnachmittag gingen wir in dem Neubauviertel im Süden der Stadt spazieren, von den noch unbebauten Hügeln kam Wind, der Sand auf Nadavs Schuhe blies. Jonathan sagte zu ihm: »Lass es, das ist Sand vom Lande Israel, gesegnet sind die Schuhe, die mit dieser Erde bedecktsind.« Bis zum Abend bewahrte er das Tuch in seiner Tasche und beherrschte sich, und als wir zurückkamen, kauerte er sich auf den Boden, wischte sich die Heiligkeit von den Schuhen und erschrak.
    »Ich habe schon eine Sünde, Mama.«
    »Noch nicht mal eine Viertelsünde, Junge, du bist unschuldig wie ein Vogel.«
    Ich machte die Küchentür auf, um den Duft der Kiefern hereinzuholen, und wich zurück. Wie ein schwarz-weißes Zebra saß Madonna auf der Küchenschwelle, mit ausgestreckten Beinen.
    »Was machst du hier?«, fuhr ich sie wütend an. Ihr billiges Parfüm erschlug den Duft der Kiefernnadeln.
    »Ich habe euch zwanzig Schekel geklaut.« Sie war schwarz und weiß, die Haare schwarz, das Gesicht weiß, der Hals weiß, das Jackett schwarz …
    »Bist du gekommen, um das Geld zurückzugeben? Das ist wirklich nett von dir.«
    »Nein. Ich möchte noch hundert dazu.« Sie betrachtete mich von unten bis oben.
    »Sehe ich etwa aus wie ein Geldautomat oder was?«
    »Ich brauche dringend ein Medikament. Ich schwöre bei meinem Leben, dass ich das Geld zurückzahle.«
    Ich ging in die Küche und holte einen Hundertschekelschein. »Hier, nimm und komm nicht wieder. Ich möchte

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