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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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glücklich, eine Ladenbesitzerin zu sein, glücklich darüber, dass ich den Mut hatte, eine Ladenbesitzerin zu sein, die den größten Teil ihres Lebens noch vor sich hatte, ich war glücklich, mit Brot, mit Margarine und Mehl zu handeln. Nein, ich vergaß nicht, dass ich einen Mann hatte, mit mageren Armen, und einen Sohn, dessen Seele zu zart für dieses Leben war, und dass es eine gewisse Nadja gab und außerdem auch Wodka. Und dennoch, an jenem ersten Elul, an dem Tag, an dem mein Kopf leer geworden war, war ich glücklich. Ich suchte nicht nach einer Rechtfertigung für dieses Glück, von mir aus konnte es auf biochemischen Gründen beruhen, auf dem zerbrechlichen Gleichgewicht der Enzyme, der Hormone, der Elektrolyse und Ähnlichem. Das Samson-Syndrom funktionierte bei mir komplett anders, als Scha’ul Harnoi es mir vorausgesagt hatte. Ich war voller Kraft. Die Scheren, die meinen Kopfberührt hatten, hatten Wunder bewirkt. Ich hob den Blick nicht zum zweiten Stock, um zu sehen, ob er noch dort stand, ich stieg in den Mazda und fuhr los.
    Das orangefarbene Licht der Straßenlaternen nahm ab, je weiter ich Richtung Süden fuhr, auf der Straße, die sich bis zum Dorf schlängelte. Ein schwarzer Ärmel tauchte plötzlich am dunklen Straßenrand auf. Mein plötzliches Bremsen erschreckte die Gestalt, sie verschwand im Gebüsch und tauchte wieder auf. Ein Mann in Schwarz machte die rechte Vordertür des Mazda auf, so selbstverständlich, als handle es sich um ein Taxi, das er bestellt hatte, er setzte sich auf den Beifahrersitz, schloss die Tür, schnallte sich an und fragte nicht, wohin ich fuhr. Auch ich fragte nichts, ein Blick hatte mir genügt, sie sofort zu erkennen. Ich nahm den Fuß von der Bremse und fuhr weiter. Mir war egal, was sie wollte, welche Pläne oder bösen Absichten sie hatte, ich wusste, dass mir in dieser Nacht nichts Schlimmes passieren konnte. Die Harmonie zwischen mir und der Welt war vollkommen. Die erste Nacht des Elul und ein winziger Mond waren in mir. Madonna bewegte sich nicht und sagte kein Wort, ihr Blick war auf die Straße gerichtet, als gäbe es für sie nichts Wichtigeres auf der Welt als das Ziel, auf das sie sich hinbewegte. Wenn sie reden würde, würde ich ihr antworten. Nein, nein. Wegen meiner neuen Frisur und der Dunkelheit im Auto hatte sie mich nicht erkannt. Obwohl wir kein Wort wechselten, störte mich die Gestalt, die rechts neben mir atmete, dabei, die Fahrt in die Freiheit, die mir das vorübergehende Alleinsein bescherte, zu genießen. Wir erreichten die lange Straße, die durch das Dorf führte, und sie sagte nicht, bleib hier stehen, oder ich muss da oder da hin. Sie saß schweigend neben mir, undweil sie nichts sagte, stellte ich auch keine Frage. Ich blieb neben dem letzten Haus stehen, machte die Scheinwerfer und den Motor aus und sagte: »Hier.« Beide stiegen wir aus, gemeinsam, wie die Leibwächter einer hochgestellten Persönlichkeit, das Licht der Straßenlaterne fiel auf mich und auf das weiße Gesicht Madonnas.
    »Was suchst du hier?«
    Sie legte die Hand auf den Mund und brach in Lachen aus. »Ich soll tot umfallen, du bist es? Wow, wie kurz. Bist du lesbisch geworden oder was?«
    Ich ließ nicht locker. »Was suchst du hier?«
    »Ich möchte Wodka besuchen.«
    »Er ist in Eilat.«
    »Was, habt ihr ihn weggegeben?« Sie erschrak, ihr Hals reckte sich, sie bewegte den Kopf hin und her und spähte suchend in die Dunkelheit.
    »Er kommt in drei Tagen zurück.« Ich drückte auf die automatische Türverriegelung und wandte mich zum Tor. Das Haus sah aus wie eine Briefmarke auf dem schwarzen Waldumschlag. Ich zog die Post aus dem Briefkasten, die seit dem Morgen auf mich wartete, das Papier war feucht vom Tau, ich knüllte es zu einem Ball und steckte ihn in die Tasche wie eine Karte, die man zur Kontrolle aufbewahren muss. Ich machte das Tor auf und trat ein, ich hörte ihre Schritte, die mir folgten, und ging weiter. Im Haus des Alten war Licht, und seine Gestalt klebte am Fenster, hinter den Ritzen des Rollladens. Ich wusste nicht, ob er seit dem Morgen am Fenster stand oder ob Madonnas Stimme ihn herbeigelockt hatte. Ich hob die Hand, um ihn zu grüßen, als salutierte ich vor seinem Leben hinter dem Fenster und vor der Hartnäckigkeit, mit der er an ihm festhielt. Ich öffnete die Haustür und trat ein, sie folgte mir.
    »Ich muss aufs Klo«, sagte sie.
    »Du weißt, wo es ist.« Ich wollte, dass sie ging. Sie sollte im Badezimmer verschwinden,

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