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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Magén
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Tag und Nacht, und stieß ein Krähen aus.
    Der Alte ballte die Hand und sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. »Das ist das Mistvieh von Horowitz«, zischte er und schwankte zwischen mir und dem Hahn. Wenn er sich um den Vogel kümmerte, wäre der Zugang zum Haus ungeschützt, und wenn er sich um mich kümmerte, würde der da draußen davonkommen  … Er entschied sich zu Ungunsten des Mistviehs von Horowitz, ging an mir vorbei zur Treppe, nahm einen der vertrockneten Kakteentöpfe vom Geländer und warf ihn Richtung Tor. Der Hahn flogerschrocken und mit zitterndem Kamm vom Schild, nicht ohne seinen Darm mit einem heftigen Schwung zu entleeren, sodass auch Spritzer auf den Scherben des Kaktustopfs landeten. In einem Dorf, in dem jedes Huhn einen Personalausweis hat und alle wissen, ob der Vogel zum Freund oder zum Feind gehört, war das eine offene Kriegserklärung. Solche Darmentleerungen galten hier eindeutig als Verletzung des Nichtangriffspakts zwischen den Einwohnern. Und der Krieg hatte eigene Gesetze. »Ich werde dir zeigen, wer hier auf wen scheißt, du Kacker«, sagte der Alte, nahm eine Decke von einer alten Kommode, bewaffnete sich mit einem Küchenmesser und lief, die Decke und das Messer in der Hand, vorsichtig und entschlossen auf das Tor zu. Der Hahn, ermutigt vom Gewinn der ersten Runde, beobachtete, was auf ihn zukam, und schickte ihm ein ausgedehntes Krähen entgegen. Wäre er nur dumm genug gewesen, um aufzugeben, aber er war eifrig und bemühte seine Eingeweide, und die letzte Portion war stärker als die erste, sie verdeckte auf dem Schild jede Spur von »Levi«. Hätte er sein Gefieder nicht so aufgeplustert, hätte er das Tuch des Matadors bemerkt und das Funkeln des Messers hätte ihn dazu gebracht, die Flügel auszubreiten, doch bis er die Augen aufmachte und den Schnabel schloss, war er schon in die Decke gehüllt und wurde hinter das Haus gebracht, seinem Schicksal entgegen. Ein kurzer, spitzer Schrei drang durch die Luft, danach kam der Alte mit leeren Händen zurück, ohne Decke, ohne Messer und ohne Hahn. Er ging zum Tor, betrachtete die graue Masse, die seinen Namen bedeckte, spuckte auf die Erde und kam bedrückt und mit schweren Schritten zurück, blass und geschlagen.
    Bevor er sein Haus betrat, stieß er ein »Pfui« gegen die Welt aus, die hinter seiner Tür zurückblieb, dann kam er inden Flur, sah mich, ging an mir vorbei zum Spülbecken in der Küche und rieb sich seine knochigen Hände mit dem Topfreiniger.
    »Wir haben den Monat Elul, Herr Levi, Hähne sind Sühneopfer.«
    »Dieser Kacker? Er wäre gestorben, bevor ich ihm meine Sünden aufgeladen hätte, ich kenne ihn, bevor er zum Himmel geflogen wäre, hätte er meine Sünden zu Horowitz gebracht, um sie ihm zu zeigen.« Er spuckte ins Spülbecken, seifte sich erneut die Hände ein und wusch sie. »Diesem Dreckskerl hätte ich noch nicht mal meine Krankheiten übergeben.«
    »Welche Krankheiten haben Sie, Herr Levi?«
    »Sind Sie etwa von der Krankenkasse? Ich habe, was ich habe.«
    Fünf Minuten vergingen, er befahl mir nicht, das Haus zu verlassen, und ich erlaubte mir nun langsame, vorsichtige und wohlbedachte Schritte Richtung Küche. Auf der Schwelle blieb ich stehen, vorsichtig wie ein Schmetterlingsfänger, und lehnte mich an den Türstock, während er versuchte, sich die Schuld des Hahns abzuwaschen und rein zu werden, er hörte gar nicht auf, sich die Hände zu waschen. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und spähte in die Küche, die eher einem Laden für Elektrobedarf glich. Ein aufrecht stehender Toaster, ein liegender Toaster, eine Mikrowelle, ein Backofen, ein moderner Kühlschrank, eine Küchenmaschine. Die Geräte blitzten auf einer langen Marmorplatte, dunkel, kalt, die Griffe zusammengeballt wie Fäuste, als wären sie gerade entstanden und noch unbenutzt. Schoschana war eine hingebungsvolle Tochter. Kaufte Kühlschränke, Toaster, Hemden, Mixer. Schade, dass die Einkaufszentren, in denen sie herumlief,keine Elektrogeräte verkauften, die Lust, Appetit und Lebenswille produzierten, aber sie gab nicht auf. Wenn das Pferd nicht zur Tränke gehen wollte, schleppte sie die Tränke zu ihm, schließlich konnte sie die elektrische Ausrüstung, die sie ihm hingestellt hatte, betrachten und sagen, ich habe das Meine getan.
    »Sie haben eine gute Tochter«, sagte ich, als würde ich die Leistung beurteilen. Aber ich meinte es so, und ich wollte ein Gespräch mit ihm anfangen.
    »Darf ich?«, fragte ich und

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