Wodka und Brot (German Edition)
und Kloschüsseln versperren würde, die sie verkauften, um nach Hause zu fahren. Sie würde ihm ein Omelett oder ein Rührei braten, und die Messer der Gegenwart würden das Brot schneiden und auf dem Teller klappern.
»Gut, es reicht, wir gehen nach Hause, Kim, es wirdschon dunkel.« Sie fuhr sich durch die Haare mit den blonden Strähnchen und rief nach ihrem Sohn.
Bevor sie gingen, gab sie mir den Strauß Petersilie zurück und sagte: »Entschuldige, ich will dich nicht kränken, aber ich kann nichts essen, das in diesem Garten gewachsen ist. Ich weiß nicht, es ist, als läge ein Fluch auf Levis Erde, ich kann nicht vergessen, dass das Blut des Jungen in diese Erde geflossen ist.« Die Stängel, die sie mir zurückgab, waren warm von ihren Fingern, sie drückte die nun leere Hand auf ihr Herz. »Es war dumm von mir, dass ich dir alles erzählt habe, du sagst jetzt bestimmt, das ist Aberglaube, aber was soll man tun, ich habe nicht den Mut, das Schicksal herauszufordern.«
Ich blieb mit meinem Jungen am Tor stehen und schaute zu, wie Maja-Mirjam und Kim sich entfernten und immer kleiner wurden, neben ihnen sahen die Laternenpfosten wie Ausrufezeichen hinter den Sätzen unseres Lebens aus. Der Husten, der aus dem Fenster des Alten drang, war diesmal tief und schwer und hörte sich an, als huste das Herz. Schon einige Zeit hatten wir die Zettel nicht herausgeholt, die sich mit Prospekten zur Körperertüchtigung und für neue Rollläden und ein oder zwei Briefen in unserem Briefkasten gesammelt hatten. Nun, da wir am Tor standen und nicht dringend irgendwohin mussten, leerte ich den Briefkasten und brachte das Papierbündel ins Haus, und in der anderen Hand trug ich die gepflückte Petersilie. Der Alte konnte von seinem Fenster aus sehen, wie der Kies unter den kleinen Turnschuhen aufspritzte und in den Bewässerungsgräben für die Rosen landete. In der Nacht fuhr ein großer schwarzer Jeep durch meine Träume zum Zimmer des Jungen, und ich sprang ihm nach und schrie: Du hast noch ein bisschen, du hast kein bisschen mehr.Gut, dass die Tage von allein fortliefen, denn wenn wir es tun müssten, hätte ich es nicht geschafft, zum folgenden Tag zu wechseln. Das heißt, es ist ein Glück, dass die Erdkugel ihrer Bahn folgt und uns diese Last nicht zumutet. Und als würde nicht reichen, was wir hatten, erlegte ich mir noch andere Lasten auf, zum Beispiel Levis toten Enkel. Am folgenden Tag ging ich zum Friedhof des Dorfes, um mit meinen eigenen Augen den Grabstein zu sehen, von dem mir Maja-Mirjam erzählt hatte. Ich ging den Feldweg hinunter, der vom Dorf zum Haus des Lebens führte, wie man diese endgültige Wohnstatt auch nennt. Wer sich diesen bescheidenen Ort in einer Senke ausgesucht hat, die man vom Dorf aus nicht einsehen kann, hat eine gute Wahl getroffen. Die Toten stören die Lebenden nicht, und die Lebenden ihrerseits ermöglichen ihnen die richtige Ruhe. Man sah, dass das Dorf das Potenzial der Grundstücke, dieser Löcher der Ewigkeit, nicht erkannt hatte, vorläufig waren dort nur die Ortsansässigen begraben. Ich ging in dem bescheidenen, recht gepflegten Friedhof auf und ab. Die Friedhofsverwaltung hatte der Tatsache, dass alles eitel ist, Rechnung getragen und dafür gesorgt, dass alles sympathisch und bescheiden wirkte. Der Grabstein, klein, wie man ihn nimmt, wenn etwas nicht nach der Natur abgelaufen ist, zog meinen Blick sofort auf sich. Grauer Staub bedeckte den weißen Stein, der Name des Jungen war an der rechten Seite eingemeißelt, eher flüchtig, und im Gegensatz dazu waren die Geburts- und Sterbedaten tief in den Stein gegraben und groß, als würden sie das Ausmaß des Absurden verkünden. Der Junge war am neunzehnten Elul gestorben, nach dem Vollmond, auch jetzt waren der Elul und der Mond bereits am Abnehmen, vielleicht war heute der neunzehnte oder spätestens morgen. Der Grabsteinzeigte keinerlei Anzeichen, dass man sich in der letzten Zeit um ihn gekümmert hätte. Wenn jemand kam, um sich an ihn zu erinnern, wäre das vermutlich morgen. Wenn ich gewusst hätte, dass es der Todestag des Kindes war, wäre ich nicht mit leeren Händen gekommen, aber es war nicht zu spät, ich konnte den Fehler noch korrigieren.
»Komm, begleite mich«, sagte ich zu meinem Jungen, damit er das andere Ende des Weges kennenlernte, nicht nur die pastorale Seite, behauene Steine, Bäume, Blumenstöcke, durchsichtige Kerzenbehälter, aber er wurde von Kims technischen Effekten stärker angezogen, er wollte
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