Woelfe der Macht
irgendwie, dass ihre kleine Tochter hier war. In diesem Raum. Unsicherheit erfasste sie. Ihre Tochter. Ihr Baby. Ihr Fleisch und Blut. Zögernd setzte sie einen Fuß vor den anderen und ging weiter ins Zimmer hinein. Dorthin, wo die Wiege stand. Dorthin, wo dieser herrliche Duft herkam.
Cass stand vor der Wiege, in der ihre Tochter lag, und konnte sich nicht mehr bewegen. Sie hatte die ganze Zeit angenommen, dass, wenn sie ihr Kind sah, etwas in ihr »klick« machen würde. Dass ein Schalter umgelegt würde. Die Muttergefühle in ihr erwachten. Aber vor ihr lag ein fremdes Kind. Wären nicht die zarten, roten Löckchen und die verwandten Züge, würde Cass nicht einmal wissen, dass es ihr Kind war.
Großer Gott! Was war sie für eine Mutter, die ihr eigenes Kind nicht erkannte? Kein Gefühl für das eigene Fleisch und Blut aufbringen konnte? Sie drehte sich wieder zur Tür und wollte gehen, als Carmen erwachte und anfing zu schreien.
Abwägend, was sie tun sollte, ging sie auf die Wiege zu und nahm Carmen heraus. Immerhin wusste sie, wie man sich um ein Baby kümmerte. Schließlich war Charlott auch noch nicht so alt.
Die Kleine sah verwundert zu dem neuen Gesicht auf und quietschte dann vergnügt auf. Ihre kleine Hand streifte Cassandras Kinn und eine Art Stromstoß durchfuhr sie. Nicht so, als wäre man elektrisch aufgeladen gewesen, sondern ... mystischer. Sämtliche Gefühle in ihrem Kopf gerieten durcheinander und sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen. Aber nicht vor Angst oder Trauer, sondern vor Glück. War es dieser kleine Stromstoß, der sie so durcheinandergebracht hatte? War das ihre Bindung an Carmen?
Mit zittriger Stimme flüsterte sie: »Hallo Kleine. Ich bin deine Mama.« Als ob sie das verstehen würde, schloss sie wieder die Augen und schlief an Cassandras Schulter ein. Sie setzte sich mit der Kleinen im Arm in den Schaukelstuhl und betrachtete sie ausführlich. Zum Glück hatte Carmen keine Angst vor ihr, sondern nahm sie wie normal an.
»Was fällt ihnen ein? Wer sind sie, dass sie es wagen, das Baby anzufassen?« Cass sah sich verwundert zur Tür um, in der eine kleine füllige Frau stand und mit erbostem Blick Cassandra mit dem Baby musterte.
»Hören sie mal! Ich bin ihre Mutter.« Die Frau zog kurz die Augenbrauen hoch, wurde aber sofort wieder ernst.
»Das ist mir egal. Ich bin das Kindermädchen und kümmer mich um sie. Also geben sie sie mir sofort und verlassen sie den Raum, bis ich ihnen den Besuch gestatte.« Sie hatte sich doch eben sicher verhört, oder? Diese Frau wagte es wirklich, sich zwischen eine Mutter und ihr Kind zu stellen? Cass stand auf und legte Carmen vorsichtig in die Wiege zurück. Zeitgleich tauchte Josh in der Tür auf und sah seine Frau erstaunt an.
»Cassandra? Was machst du denn hier? Der Arzt meinte, du müsstest noch mindestens eine Woche im Krankenhaus bleiben.« Ohne auf den stummen Vorwurf zu achten, sah sie zu der Frau und fragte Josh: »Ist sie eine von uns?« Dieser bejahte die Frage mit einem Kopfnicken, dass sie aus den Augenwinkeln sehen konnte und schon im nächsten Moment hatte sie sich auf die Frau gestürzt. Diese war überrascht, wehrte sich aber wie der sprichwörtliche Wolf, der sie ja auch war. Cass hatte keine Möglichkeit, die kleinere Frau zu Fall zu bringen und so umrundeten sie sich knurrend.
»Wenn sie mir noch einmal sagen, dass ich meine Tochter nicht sehen darf, wann es mir passt, dann werfe ich sie hochkant hinaus!« Zur Bekräftigung ihrer Aussage sprang sie nach vorn und drängte die Brünette gegen die Wand. Dort schlug sie den Kopf der Frau, die mit einer solchen Attacke nicht gerechnet hatte, heftig gegen die Wand. Doch statt sich der Dienstherrin zu ergeben, wehrte sich das Kindermädchen mit Zähnen und Krallen. Sie stieß Cass gegen die Brust und stellte ihr ein Bein, sodass beiden zu Boden gingen, weil sich Cass an ihrer Bluse festgehalten hatte.
Als das Kindermädchen oben auf war, sagte sie: »Ich betreue die Kleine seit ihrer Geburt und ich weiß genau, wann sie was braucht. Sie werden sich nicht einmischen, wenn es um die Schlafgewohnheiten und das Essverhalten von Carmen geht.« Cass konzentrierte ihre gesamte Kraft auf die Beine und wirbelte mit ihr zusammen herum, sodass nun sie obenauf saß. Diese Aktion hatte sie im Selbstverteidigungskurs gelernt, an dem sie als Jugendliche teilgenommen hatte. Er hatte ihr schon bei vielen Handgreiflichkeiten zum Sieg verholfen.
»Sie mögen sie die ersten Wochen
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