Woelfe der Macht
förmlich aufgesaugt. Aber irgendwann war alles ausgelesen. Jahrzehnte später wurde das Internet erschaffen und hatte auch gleich einen Weg in die Burg ihres Vaters gefunden.
Damit standen ihr alle Wege offen. Vor ein paar Jahren hatte sie sich schließlich einem Online-Hexenzirkel angeschlossen, durch den sie viel gelernt hatte.
Vor diesem Sturm-Zwischenfall hatten sie alle angenommen, dass Josi zwar zum Teil Hexe war, aber ihr Rabenblut, das der Hexen verdrängte. Sie hatte es bewusst vor ihrer Familie verheimlicht, denn sie wusste ganz genau, dass ihr Vater Hexen hasste. Wenn er also herausbekäme, dass sie mehr Hexe war, als vermutet, würde er sie nicht mehr lieben. Er würde sie verstoßen.
Aber mittlerweile war das schon fast egal. Der Weltuntergang stand bevor und Josi wollte nur noch ihre Rache vollziehen, bevor alles den Bach runter ging. Und dazu musste sie nach Los Angeles.
Josi stellte sich mit den Füßen ins Wasser und streckte ihr Gesicht der Sonne entgegen, als ein recht starker Wind über den See fegte und ihre Haare wild durcheinanderwirbelte. Herrlich . Dieses Freiheitsgefühl hatte sie sonst nur beim Fliegen. Und ihr letztes Mal war schon ewig her.
Sie vermisste es ein bisschen, in der tiefen dunklen Nacht über die Burg ihres Vaters zu gleiten und mit ihren Rabenaugen alles zu beobachten, was auf dem Boden passierte. Sie konnte sich noch genau an ihr erstes Mal erinnern.
Ihr Vater hatte mit ihr und ihren Brüdern meditiert. Eine Grundvoraussetzung für die Verwandlung war ein ruhiger Geist, der die Umwandlung kontrollieren konnte. Sie war damals neun gewesen und ihr Vater hatte ihr gesagt, dass es bei ihren Brüdern das erste Mal erst mit sechzehn geklappt hatte. Sie solle also nicht enttäuscht sein, wenn sie nicht gleich als Rabe in die Lüfte steigen würde. Aber es war anders gekommen.
Einer ihrer Brüder war frech gewesen und hatte sie geärgert. Sie hatte ihn über den Burghof gejagt und war über einen Heuwagen auf das niedrige Dach eines Schuppens gehüpft. Von da aus sprang sie auf die innere Mauer des Burggartens und dann hatte sie ihn gespürt. Den Wind.
Es war, als hätte er ihr zugeflüstert, dass sie sich ihm ergeben und springen sollte. Er war in ihre Haare und in ihre Kleidung gefahren und hatte ihren kleinen Körper angehoben. Sie konnte sich noch genau an das ängstliche Geschrei ihrer Familie erinnern, als sie sich dem Wind ergab und von der Mauer abstieß.
In ihren Knochen baute sich ein leichter Druck auf, und während ihr Körper fiel, stieg ihr Geist auf, als Rabe. Und als sie ihre Augen öffnete, flog sie. Sie glitt auf dem Wind durch die Luft und konnte ihn durch ihre Federn spüren. Sie hatte es geschafft. Sie hatte sich verwandelt.
Sie flog eine Schleife über die Burg und erblickte ihren Vater, der stolz lächelnd auf dem Hof stand und zu ihr auf sah. Sie hatte sich zwar danach eine recht deftige Standpauke anhören dürfen, aber dafür hatte es sich gelohnt. Von da an war sie immer wieder geflogen, wobei sie nachts am besten sehen konnte.
Der Fenriswolf kam ihr wieder in den Sinn. Er und die damit verbundene Vorhersage des Ragnarök. Wie viel Zeit würde ihr wohl noch bleiben, bevor die Welt unterging? Sie hatte zu den verschiedenen Weltuntergangstheorien Recherchen angestellt, war aber zu keinem genauen Ergebnis gekommen.
Laut den Mayas endete die Welt im Dezember 2012. Aber in anderen Quellen hieß es dann wieder, dass dieses Datum nicht den Weltuntergang, sondern den Beginn eines neuen Kalenders anzeigen würde. Auch verschiedene andere Theologen und Sekten hatten Termine für Weltuntergänge festgelegt, aber die meisten waren bereits verstrichen oder völlig willkürlich gewählt. Nichts, was auch nur im entferntesten dem Ragnarök gleichkäme. Aber sie hatte die unheilvollen Zeichen wahrgenommen. In der Edda stand, dass der Fenriswolf nur eines von vielen war. Die Mondfinsternis, der Meteoritenhagel, das Erdbeben und die Flutwelle waren bereits geschehen. Es fehlte nur noch das brennende Meer. Dann würden die Kämpfe beginnen, egal was das bedeuten sollte.
Wenn sie daran dachte, dass sie schon längst ihren Erzfeind getötet haben könnte, kam ihr alles wie eine Zeitverschwendung vor. Nein, wenn sie ehrlich war, stimmte das eigentlich nicht. Wäre sie Erik nicht begegnet, wäre so vieles anders gekommen. Sie würde allein hinter ihrem ärgsten Feind herjagen und wäre immer noch Jungfrau. Und Sex, diese überaus himmlische Erfahrung, die ihr so
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