Woelfe der Macht
könnte er Gedanken lesen, fuhr Alex mit seinen Ausführungen fort: »Raben sind eigentlich keine gewaltbereiten Wesen. Es ist äußerst selten, dass sie sich in einen Kampf einmischen. Sie gehören vielmehr zu den Strategen.« Joel schien ihr Interesse erahnen zu können und ging auf die beiden Wölfe zu - Amam war dicht hinter ihm.
»Hallo. Ich bin Joel. Der Anführer der hiesigen Raben.« Alex nickte und reichte ihm die Hand.
»Ich bin Alexej. Das ist Cassandra. Danke für eure Hilfe.« Joel winkte lapidar ab.
»Immerhin ging es um meine Schwester. Also müsste ich euch wohl eher danken.« Schwester? Alex schien das ebenfalls zu verwundern, und bevor Cass die Fragen stellen konnte, nahm ihr Alex das schon ab.
»Josi ist deine Schwester?« Joel hob fragend eine Augenbraue, was ihm einen jugendlichen Touch gab. Warum sahen eigentlich alle Raben wie etwas zu groß geratene Teenies aus?
»Du kennst Josephine?«
»Sie ist meine Tochter.« Als Joel nun auch die zweite Augenbraue hob, fuhr Alex fort: »Meine Adoptivtochter. Ich habe sie als kleines Kind befreit.« Joel nickte daraufhin, als würde sich damit alles erklären. Cass sah wieder zu dem Assassine.
Aus irgendeinem Grund faszinierte er sie. Er war genau so schlank und sehnig wie die Raben, nur etwas kleiner und der sichtbare Teil seiner Haut, ließ darauf schließen, dass er eine dunklere Hautfarbe hatte.
Und diese Augen. Irgendetwas stimmt doch da nicht. Dann wanderte ihr Blick tiefer zu seiner Schulter. Blut tränkte den hellen Stoff seines Mantels, allerdings nicht sonderlich auffällig. Gerade so viel, dass sie den metallischen Blutgeruch wahrnehmen konnte. Anscheinend entwickelten sich langsam ihr Fähigkeiten.
»Du bist verletzt!« Alle Augen richteten sich auf den Assassine, der über die Aufmerksamkeit nicht sonderlich freute. Ganz im Gegenteil. Es schien ihn wütend zu machen.
»Amam! Warum hast du nichts gesagt?« Joel sah dessen Schulter an. »Wir sollten nach Hause und das Verbinden lassen.« Cass ging auf den Assassine zu und packte ihn am unverletzten Arm.
»Ich kümmer mich schon um ihn. Unser Leihwagen steht gleich da vorne. Außerdem habe ich Verbandsmaterial dabei.« Ohne eine Antwort abzuwarten, zog sie ihn einfach mit sich. Der vermummte sah Cass mit zusammengekniffenen Augen an, aber sie konnte unter dem Schal und der Kapuze keine Gefühlsregung erkennen.
Als Cass mit ihm in dem Auto verschwunden war, fauchte er: »Lass mich allein. Ich schaff das schon!« Cass drückte auf die Wunde und er zuckte vor Schmerz zusammen.
»Keine Widerrede. Mein Schwager war Arzt. Halt still, ich zieh dir den Mantel aus.« Er zuckte zurück und wollte auf der anderen Seite des Wagens wieder aussteigen, als Cass im kalten und schneidenden Ton sagte: »Wenn du jetzt dieses Auto verlässt, erzählte ich Joel von deiner weiblichen Seite.«
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22. Kapitel
Der Assassine erstarrte. Mit scheinbar unbeugsamer Ruhe, die er keineswegs innehatte, drehte er sich um und sah die rothaarige Frau abschätzend an. Was wusste sie?
»Was willst du damit sagen?« Cassandra lächelte eiskalt, was ihre warme Schönheit lügen strafte.
»Ich weiß, dass du eine Frau bist. Aber ich weiß nicht, warum du dich als Mann ausgibst.« Gut. Sie wusste es also. Jetzt hatte er zwei Möglichkeiten: sie umbringen oder Joel alles gestehen, bevor sie die Gelegenheit dazubekam, ihm alles zu verraten. Aber noch wichtiger war, wie sie es herausgefunden hatte.
Bis auf seine langen Haare, die er unter seinem Mantel und der Kapuze verbarg, hatte er nichts Weibliches an sich. Seine Brüste band er mit mehreren Mullbinden ab und er trug sogar männliche Unterwäsche. Er dachte sogar schon von sich selbst als Mann! Wie hatte sie es also herausfinden können?
»Wie habe ich mich verraten?« Cassandras Lächeln wurde etwas weicher und etwas in ihm entspannte sich. Es war, als hätte sie einen unsichtbaren Schalter umgelegt.
»Ich habe da so ein Gespür. Außerdem hat kein Mann solche Wimpern.« Sie holte den Verbandskasten unter dem Beifahrersitz hervor und packte eine Kompresse und mehrere Mullbinden aus. Sie hatte wirklich vor, ihn zu verbinden. »Also erzähl mal. Wie kommt es, dass du für Joel arbeitest?« Sie schien ihm nichts Böses zu wollen, aber er kannte sie einfach zu wenig, um ihr alles zu sagen.
Er fuhr mit dem Arm aus dem Pullover und schlug den Mantel zurück, sodass sie an seine Wunde kam. Sie tat nicht sonderlich weh, was allerdings nicht bedeuten musste,
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