Woelfe der Macht
wenn ich mich als Frau gezeigt hätte? Die hätten mich ausgelacht und davon gejagt.« Cassandra zog den Verband straff und er zuckte kurz zusammen.
»Tut mir leid. Ich wollte dir nicht weh tun.« Er winkte ab.
»Keine Sorge. Ich hab schon Schlimmeres durchgestanden.« Cassandra sah ihn betrübt an.
»Warst du immer allein? Hattest du niemanden, mit dem du sprechen konntest?« Amam lächelte schief. Die Kleine war wirklich süß und ihre Besorgnis ernst gemeint.
»Dorothea, Joels Ärztin und Hauswirtschafterin, ist in mein Geheimnis eingeweiht. Sonst hätte ich es nie so lange geschafft, als Mann durchzugehen.« Er fuhr mit dem Arm wieder in den Pullover und zupfte den Mantel zurecht.
»Wie ist eigentlich dein richtiger Name?« Das war etwas, dass er noch nicht einmal Dorothea erzählt hatte. Früher galten Namen als etwas Mächtiges, mit denen man jemanden binden oder verzaubern konnte. Heutzutage waren Namen nichts mehr, weil nur noch wenige die alte Magie der Götter besaßen.
»Shirin.« Cassandra lächelte.
»Ein hübscher Name.« Sie blickte an ihm vorbei und deutete dann auf das Fenster. »Erik und Josi sind zurück. Wir sollten wieder zu den anderen gehen.« Oh ja. Diese kleine Hexe würde er nicht unbeaufsichtigt in die Nähe von Joel lassen.
Ihre haarsträubende Machtdemonstration, die Amam nur hilflos hatte zusehen lassen können, wie Joel bedroht wurde, war gruselig gewesen. Am liebsten hätte er sich Joel geschnappt und ihn in seinem Zimmer eingesperrt. Aber das würde nicht funktionieren. Dafür war der Rabe einfach zu freiheitsliebend. Und wahrscheinlich zu intelligent, zumindest, solange keine hübsche Frau im Raum war.
Josi klammerte sich an Erik und gemeinsam gingen sie auf ihren Vater zu, der grimmig von einem zum anderen sah. Er schien nicht sehr begeistert zu sein, seine Tochter mit einem Mann zusammen vorgefunden zu haben. Cass war nicht zu sehen. Was machte sie bei Josis Vater? Und warum hatte sie mit ihnen zusammen gekämpft?
Plötzlich stellte sich ihnen Joel in den Weg und sie waren gezwungen, stehen zu bleiben. Hatte er noch nichts aus dem vorherigen Kampf mit ihr gelernt? Erik selbst hatte keine Lust auf den zweiten Teil. Wobei Fortsetzungen ja meistens nie an den ersten Teil herankamen.
»Josephine. Ich würde gern mit dir reden. Bitte.« Er spürte, wie ihr Griff um seinen Arm fester wurde, doch sie nickte entschlossen. Joel hatte ihnen geholfen, hatte sein eigenes Leben in Gefahr gebracht, um Josi die Flucht zu ermöglichen.
»Kann ich morgen zu dir kommen? Dann brauchst du keine Angst zu haben, dass dir etwas passieren könnte.« Er sah Erik kurz an. »Wenn es dir recht ist.« Als ob Erik etwas dagegen sagen würde. Joel war ein guter Freund und sie war seine feste Freundin. Natürlich wollte er, dass sie sich aussprachen.
»Kein Problem.« Dann musste er nur noch Josh davon in Kenntnis setzen, dass ein Rabe zu Besuch ins Herrenhaus kam. Und momentan wusste er nicht, wie sein Rudelführer und Bruder darauf reagieren würde.
Als Cass ihn das letzte Mal verlassen hatte, war er völlig am Boden zerstört und seine Stimmung war durch und durch mies gewesen. Aber damals hatte er keine Schuld an ihrem Fortgehen gehabt, ganz im Gegenteil zu dieser Trennung.
»Dann bis morgen.« Josi nickte abwesend und sah an ihrem Halbbruder vorbei zu ihrem Vater. Doch statt den Griff zu lockern, wurde er noch fester. Sie hatte Angst! In einen Kampf gegen Dämonen würde sie sich ohne nachzudenken einmischen, aber vor ihren Vater schreckte sie zurück?
»Josi? Ich glaube, meine Hand fällt gleich ab.« Erschrocken sah sie nach unten, zu der Stelle, wo sie ihn festhielt. Augenblicklich ließ sie ihn wieder los und lächelte entschuldigend.
»Sorry.« Er wollte seine Hand vor dem Absterben retten, aber er wollte sie trotzdem berühren. Deshalb nahm er ihre Hand wieder in seine und zog diese zu einem Kuss an seine Lippen. Ja, das hatte er gebraucht. Den Geschmack und das Gefühl ihrer warmen weichen Haut an seinen Lippen.
Außerdem war er erfreut darüber, dass sie immer noch seine Nähe suchte, auch wenn ihr Vater in Sichtweite war. Das ließ das säuerliche Gefühl ihres Geständnisses von eben etwas abklingen.
Als er wieder zu ihrem Vater sah, bemerkte er Cassandra, die ihm etwas zuflüsterte und dann wieder in das Auto stieg, mit dem sie vorhin gekommen waren. Anscheinend hatte sie keine Lust, mit Erik zu reden. Er verstand sie sogar. Sein Bruder hatte sie mit ihrer schlimmsten
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