Wölfe und Kojoten
dreistöckiger Bau. Der Weg zum Eingang war
auf beiden Seiten gesäumt von Beeten mit langstieligen blauen Schmucklilien.
Auf einem Schild stand, daß das Haus im Rahmen des Sequoia-Health-Plans für das
Marin County zuständig sei — wahrscheinlich hatte es Diane Mournings Hausarzt
aus diesem Grund gewählt. Ich fuhr in eine Parklücke neben dem Schild, stieg
aus und sah mich nach einem Streifenwagen um. Es war keiner da, und das
überraschte mich nicht. Nach kalifornischem Gesetz sind die Krankenhäuser
verpflichtet, Schußverletzungen der Polizei zu melden. Diese Patientin hatte
sich die Verletzung aber in Mexiko zugezogen. Man würde Diane Mourning zwar bei
Gelegenheit vernehmen, doch allzuviel kostbare Arbeitszeit würde man wohl kaum auf
eine Schießerei verwenden, die in einem Zuständigkeitsbereich stattgefunden
hatte, aus dem wenig oder gar keine Zusammenarbeit zu erwarten war.
Die Eingangshalle war leer bis auf eine
Schwester, die an der Information lehnte und mit einer älteren Frau in
pinkfarbener Freiwilligen-Uniform redete. Als ich nach Diane Mourning fragte,
wechselten die beiden wachsame Blicke. »Tut mir leid«, sagte die Freiwillige,
»sie darf keinen Besuch empfangen.«
»Dann würde ich gern mit dem
diensthabenden Arzt sprechen. Es ist wichtig. Ich habe ihr etwas von Mr.
Mourning auszurichten.« Die Freiwillige sah unsicher zur Schwester. »Das dürfte
Dr. Henderson sein. Ich glaube, er macht gerade Visite.«
»Ich warte gern.«
Sie dachte einen Augenblick nach und
sagte: »Gehen Sie ins Schwesternzimmer im ersten Stock. Ich piepse ihn an.«
»Danke.«
Während ich zum Aufzug ging, schwiegen
die Frauen. Als ich auf den Knopf gedrückt hatte, drehte ich mich um und sah,
daß sie mir mit unverhohlener Neugier nachstarrten.
Dr. Henderson stand schon am
Schwesternzimmer, als ich ankam. Er war ein großer, fast kahlköpfiger Mann mit
ein paar grauen Strähnen. Mich und meinen Ausweis sah er aufmerksam prüfend an,
ehe er mich in den Aufenthaltsraum führte.
»Sie sagen, Sie haben eine Nachricht
von Mrs. Mournings Mann?«
»Ja, er hat mich gebeten, sie
persönlich zu überbringen.«
»Und wo ist ihr Mann jetzt?«
»In Baja.«
Henderson runzelte die Stirn. »Er ist
dortgeblieben, obwohl seine Frau angeschossen wurde?«
»Er wurde von einer unaufschiebbaren
Angelegenheit aufgehalten«, sagte ich unbestimmt. »Hat Diane nach ihm gefragt?«
»Als sie hier ankam, schien sie
besorgt, weil sie nicht wußte, wo er war. Sie verstehen, sie steht unter
Schmerzmitteln. Sie ist sehr unruhig, murmelt neben anderen Dingen ständig
seinen Namen.«
»Anderen Dingen?«
»Etwas über einen Brief und über ein
Haus, in dem sie sich aufgehalten hat.«
»Ich verstehe. Wie ist ihr Zustand?«
»Kritisch, aber stabil.
Schußverletzung, die Niere ist in Gefahr.«
»Wurde die Polizei benachrichtigt?«
Er nickte.
»Haben sie mit ihr gesprochen?«
»Noch nicht. Wie gesagt, sie hat starke
Schmerzen und steht unter Medikamenten.«
»Würde sie eine Nachricht von ihrem
Mann verstehen?«
»Wahrscheinlich.«
»Kann ich zu ihr?«
Henderson rieb sich nachdenklich das
Kinn. »Es beruhigt sie vielleicht. Aber nur fünf Minuten, nicht mehr.«
Er bat eine Schwester, mich zu Dianes
Privatzimmer zu bringen. Sie lag in einem Bett am Fenster und hatte eine
Infusion im Arm. In dem hohen Krankenhausbett wirkte sie verloren und noch
kleiner, blasser und zerbrechlicher als sonst. Als die Schwester die Tür hinter
sich geschlossen hatte, trat ich an das Bett und berührte Dianes Arm.
Mühsam öffnete sie die Augen. Ihre
Pupillen waren erweitert, ihr Blick unstet.
»Diane«, sagte ich, »ich bin Sharon
McCone von RKI.«
»Nein.« Das Wort war ängstlich
geflüstert.
»Es ist alles in Ordnung. Ich will
Ihnen nichts tun. Was ist in Fontes’ Villa passiert?«
Sie schloß die Augen wieder.
»Wer hat auf Sie geschossen?«
Keine Antwort.
»Ist es im Haus passiert?«
Nach einer Weile nickte sie.
»Wer war es? Salazar?«
»...Weiß nicht. Habe nichts gesehen...«
»Wo im Haus waren Sie?«
»Im Wohnzimmer.«
»Und wer hat der Polizei gesagt, Sie
seien am Strand angeschossen worden?«
»...Weiß ich nicht. Wurde
ohnmächtig...«
»War Timothy da?«
Sie öffnete die Augen wieder, und in
ihnen stand jetzt blanke Angst. »Timothy...« Sie preßte die Lippen zusammen und
warf den Kopf von einer Seite auf die andere.
»Diane, die nächste Frage ist jetzt
wichtig. Weiß Ann, daß ihr Mann tot ist?«
»Stan? Ist nicht
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