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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Mann
gewehrt, der nicht zuließ, daß ich ihn wirklich kennenlernte, und der mich
dadurch zwang, ebenfalls gewisse Geheimnisse zu bewahren. Doch im Laufe des
letzten langen Winters hatte ich, obwohl wir durch unser beider eigensinniges
Schweigen und die eisige kalte Sierra Nevada getrennt waren, einen zunehmenden
Sog gespürt.
    Gewiß, die Rosen waren eine stete
Erinnerung. Jeden Dienstagmorgen kam eine neue, makellose Rose in meinem Büro
an. Hy hatte ein Blumengeschäft in der Nähe damit beauftragt. Es waren gelbe
Rosen. Rosa sei zu sentimental für mich und rot zu traditionell, behauptete er.
An einem dieser Dienstage, als die Sehnsucht nach ihm besonders stark war und
der Schnee auf den Pässen zu schmelzen begann, hatte ich mich in den MG gesetzt
und war wieder zum Tufa Lake hinausgefahren. Damals waren wir ein Liebespaar
geworden. Von dem Tag an hatten die Rosen einen ungewöhnlichen Apricot-Ton
angenommen — in Hys Augen genau die Farbe unserer Leidenschaft füreinander.
    Als ich nun so in der zunehmenden
Dämmerung und der Stille an
    diesem Weidezaun stand, versuchte ich,
eine innere Verbindung zu Hy herzustellen. So sehr ich mich auch bemühte, diese
Verbindung wollte nicht zustande kommen. Absolut nicht.
    Nein, schloß ich, in diese Einsamkeit
hatte es ihn nicht verschlagen, ganz bestimmt nicht. Wäre es so gewesen, hätte
ich es gewußt. So einfach war das.
    Als ich gerade auf die 101 nach Norden
einbiegen wollte, fiel mir ein kahler Bereich zwischen den Findlingen und
Eukalyptusbäumen auf. Ich wartete, bis ein Sattelschlepper vorbeigerumpelt war,
und überquerte den Highway. Die gerodete Stelle war recht groß — etwa sechs
Meter im Durchmesser — und zeigte Reifenspuren. Weiter hinten am Fuß eines
großen Baumes waren in einem Kreis aus Steinen die Reste eines Lagerfeuers zu
erkennen. Ich schaltete den Motor ab, stieg aus und ging hinüber.
    Ein seltsamer Ort für ein Lagerfeuer,
dachte ich, und ein gefährlicher dazu. Trockener Eukalyptus entzündet sich sehr
leicht, und ein einziger Funke kann in wenigen Minuten einen Flächenbrand
verursachen, wie das Feuer beweist, das vor etwa zwei Jahren in den
East-Bay-Hügeln fünfundzwanzig Menschenleben gekostet und Hunderte von Häusern
vernichtet hatte. Doch die Menschen lernen selten aus solchen Vorfällen und kampieren
und veranstalten Picknicks an jeder x-beliebigen Stelle — an Tankstellen, auf
Parkplätzen, mitten in Einkaufszentren. Um mit Hot dogs herumzuqualmen, war
dieser Ort hier jedenfalls pittoresker als viele andere.
    Ich ging zu der improvisierten Feuerstelle
und sah mich in der Dämmerung um. Die Leute, die hier gepicknickt hatten — es
mußten mehrere Gruppen gewesen sein — , hatten sich ziemlich rücksichtslos
aufgeführt. Abfall bedeckte den Boden zwischen den Findlingen. Der Steinkreis
um die Feuerstelle war zerstört, die Steine lagen überall herum. Durch Asche
und verkohlte Holzreste zogen sich Reifenspuren. Asche. Mir fielen der
beschädigte Leihwagen und die feine ascheähnliche Staubschicht auf dem Lack
ein.
    Die Spuren verliefen auf die Findlinge
zu, zwischen denen sich der Müll angesammelt hatte. Ich ging in diese Richtung,
nahm meine kleine Taschenlampe aus der Tasche und leuchtete den Boden mit
seinen Felsbrocken und Baumstümpfen ab. Einer der Findlinge zeigte eine
auffallende weiße Kerbe etwa sechzig Zentimeter über dem Boden. Ich ging mit
dem Licht näher heran und entdeckte blaue Lackspuren auf dem hellen Stein. Ich
ging in die Hocke und leuchtete den Boden ab. Die dort verstreuten Glasscherben
konnten von einem Scheinwerfer stammen.
    Hier also war Hy gewesen — und hier
hatte er den Wagen verbeult. Aber wozu? Und wie war das passiert?
    Ich tastete in meiner Tasche nach einem
der Kuverts, die ich immer bei mir habe. Dann hob ich ein paar Scherben auf und
tat sie hinein. Mit meinem Schweizermesser kratzte ich etwas von der blauen
Farbe ab und ließ sie in ein anderes Kuvert rieseln. Die beiden Umschläge
steckte ich in das Außenfach meiner Tasche und untersuchte anschließend
systematisch den Abfall.
    Chips-Tüten und Fast-food-Behälter,
Papierteller und Plastikgabeln, gebrauchte Kondome und Bierdosen, Bonbonpapier
und Styroporbecher, Limonadenflaschen und schmutzige Wegwerfwindeln. Mein Gott,
was waren manche Menschen doch für Schweine! Hy hatte als entschiedener
Umweltschützer seine Becher wenigstens auf den Boden des Leihwagens geworfen.
Falls es überhaupt Hys waren...
    Die Ansammlung von Müll ekelte mich

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