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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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besteht aus einer attraktiven Mischung
von Wohnhäusern und Geschäften: Ausstellungsräume von Fabriken und
umfunktionierte Lagerhallen, Trend-Restaurants und Antiquitätenläden,
Fernsehstationen und San Franciscos ehrwürdige Institution für gebrauchte
Möbel: Busvan for Bargains. In der Front Street quetschte ich den MG in eine
Lücke, die zum größten Teil schon im Parkverbot lag, und ging zum RKI-Gebäude.
    Es war eines der kleineren, renovierten
Lagerhäuser — ein alter Ziegelbau mit hohen Rundbogenfenstern und zusätzlichen
modernen metallgerahmten Oberlichtern. Schößlinge von Amberbäumen wuchsen in
gemauerten Pflanztöpfen auf dem Gehsteig, und ein Fenster aus beschichtetem
Glas erlaubte den Blick in die eher kahle Empfangshalle. Ein Mann mit dem
Profil eines Filmstars in grauem Anzug begrüßte mich am Empfangstisch der Rezeption.
Sein scharf taxierender Blick verriet mir, daß er ein Wachmann war, und die
Beule unter seinem Jackett deutete auf seine Waffe hin. Auf einem Klemmbrett
suchte er nach meinem Namen, reichte mir einen Besucherausweis in Plastikhülle
und zeigte auf eine schmiedeeiserne Wendeltreppe zu seiner Rechten.
    Am oberen Ende der Treppe befand sich
eine Feuertür. Ich stieß sie auf und stand schon vor der nächsten Wachstation,
diesmal von einer Frau besetzt. Vorsichtige Leute, Renshaw und Kessel.
Vorsichtig fast bis zur Paranoia.
    Auch die Frau sah auf einer Liste nach,
als ich meinen Namen nannte, dann drückte sie auf einen Knopf ihrer
Sprechanlage. Ich wartete und sah mich um. Drei Reihen gläserner Bürokabinen,
mit grauem Teppichboden ausgelegt, rechts und links an den Seiten die
Chefbüros. Keine Pflanzen, keine Kunst, keine Sessel für wartende Besucher.
Nach etwa einer Minute tauchte ein jüngerer Mann aus dem linken Gang auf,
stellte sich als Mr. Renshaws Assistent vor und bat mich, ihm zu folgen.
    In den Kabinen, an denen wir
vorbeikamen, saßen Männer und Frauen bei Routinearbeiten. Sie starrten auf
Bildschirme, tippten, studierten Berichte, telefonierten. Bei aller Aktivität
herrschte große Ruhe. Als ich eine Bemerkung dazu machte, sagte mein Begleiter:
»Weißes Rauschen — es verhindert, daß ein Gespräch das andere überlagert.«
    Also auch von den Segnungen des
High-Tech heimgesucht, dachte ich. Mich würde ein kühler und steriler
Arbeitsplatz wie dieser total depressiv machen. Ich hielt mir mein eigenes Büro
bei All Souls vor Augen — den kleinen viktorianischen Kamin, das Erkerfenster,
die lachsfarbene Chaiselongue und den Orientteppich, die Tiffany-Leuchte und
andere Erinnerungen an ehemalige Fälle —, und ich sprach ein stilles Gebet,
unsere Kooperative möge niemals so weit ins 21. Jahrhundert stolpern. Sonst
wäre für jemanden wie mich dort kein Platz mehr.
    Renshaws Assistent blieb vor einem der
Eckbüros stehen und bat mich hinein. Dann verschwand er wortlos. Ein Mann in
zerknittertem braunem Anzug saß vor einem Bogenfenster auf der
Schreibtischkante. Er hatte die Füße auf einen Sessel gestellt und
telefonierte. Er war groß und dünn, fast hager. Er hatte ein schmales Gesicht
mit Augenbrauen ä la Abraham Lincoln und längeres schwarzes Haar mit einer
unerwarteten weißen Locke, die ihm in die Stirn fiel. Die dunkel gefaßte Brille
konnte die intelligente Schärfe seines Blicks nicht verbergen.
    »Wir unterhalten uns später weiter«,
sagte er in die Telefonmuschel. Dann hängte er ein und sah mich nachdenklich
an, als wolle er sich alle Einzelheiten meiner Erscheinung einprägen.
    Ich blieb im Türrahmen stehen, damit er
mich gründlich mustern konnte. Nach einer Weile nickte er. Offenbar war mein
Erscheinungsbild jetzt in seiner inneren Datenbank abgelegt. »Setzen Sie sich«,
sagte er, »und sagen Sie mir, was Sie wünschen.«
    Ich ging durch den Raum und nahm vor
seinem Schreibtisch Platz. Gage Renshaw blieb leicht zusammengesunken auf der
Tischkante sitzen, die Ellbogen auf die knochigen Knie gestützt.
    »Hy Ripinsky hatte vergangenen Mittwoch
eine Verabredung in Ihrem Büro in La Jolla«, fing ich an.
    Renshaw gab keine Antwort, sondern sah
mich nur aufmerksam an.
    »Er hat vom Flughafen in Oakland
angerufen, erfuhr, daß der Plan geändert worden sei, und kam dann hierher.«
    Noch immer keine Antwort.
    »Bald darauf fuhr er mit einem
Mietwagen über den Highway Eins-null-eins zu einer Stelle in der Nähe der
Ravenswood Road im San Benito County. Dort kam es zu einem Unfall. Er war gegen
einen Findling gefahren, wobei der Wagen

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