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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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für mich jemand, der sich von seinem Instinkt leiten
läßt. Sie mischen Fakten mit subjektiven Eindrücken. Ihre Schlußfolgerungen
mögen nicht immer ausgesprochen logisch sein, aber sie sind gefühlsmäßig
stimmig. Und in neun von zehn Fällen treffen sie auch tatsächlich zu.«
    »Und im zehnten Fall sind sie falsch,
weil sie auf Wunschdenken beruhen.«
    »Jetzt spielen wir aber den Advocatus
Diaboli, oder? Wir haben es hier nicht mit Fall Nummer zehn zu tun.
Mourning ist tot, Ripinsky hat das Akkreditiv, und Sie werden ihn für mich
finden.«
    Soviel zum Thema Instinkt, dachte ich.
    »Wann wollten Sie nach San Diego
fliegen?« fragte Renshaw.
    »Ich habe eine Reservierung für die
Zwanzig-Uhr-Maschine der US Air. Verpasse ich die, geht eine Stunde später die
nächste.«
    »Gut, ich faxe Ihnen rechtzeitig eine
Kopie des Akkreditivs, damit Sie es beim Einchecken im Bali Kai vorfinden.
Nehmen Sie sich dort einen Leihwagen?«
    »Bei Avis.«
    »Guten Flug. Und viel Erfolg.« Er
salutierte mit einem ironischen Lächeln und ging ins Haus zurück.
    Ich warf den Motor meines MG an und
schickte Renshaw ein schiefes Lächeln nach. Mein Gott, war dieser Mensch leicht
zu durchschauen. Er traute mir nicht so recht, und ich hätte wetten können, daß
er bereits am Telefon hing und meine ständige Überwachung von zu Hause bis zum
Hotel in San Diego anordnete.
    Das war verständlich. Wenn ich meine
Schatten abschütteln wollte, wußte ich schon, wie ich das anstellen mußte.
     
    Ich packte gerade meine Reisetasche,
als es an der Tür läutete. Zuerst wollte ich es ignorieren, doch beim zweiten
Klingeln wurde mir klar, daß ich meine Anwesenheit nicht leugnen konnte: Mein
Auto stand in der Einfahrt. Verdammt, dachte ich, unter diesen Umständen schaffe
ich den Flug nie! Dann ging ich zur Tür.
    Mike Tobias mit einem Strauß
pinkfarbener Nelken. Was, zum Teufel, sollte das? Rae hatte doch sicher noch
nicht das Gerücht von meiner Erkrankung verbreitet.
    »Eine kleine Aufmerksamkeit«, sagte
Mike, »als Entschuldigung für meine Bemerkungen von gestern.« Er drückte mir
die Blumen in die Hand.
    Erst Gloria, jetzt er. Gehörte das auch
zu der Taktik, die Gloria in mein Büro geführt hatte? Oder war dies bereits der
nächste Schritt, nachdem es ihr nicht gelungen war, mich zu überzeugen? Wer
würde dann wohl kommen? Hank sicher nicht — er konnte mich nicht zum Narren
halten, und das wußten sie. Larry, um mich mit einem Kräutertee willig zu
stimmen? Pam mit dem Appell an meine Schwesterlichkeit? Warum sollten sie nicht
auch Jack aus irgendeiner Wildnis zurückrufen, in die er sich geflüchtet hatte,
um seine Wunden zu lecken? Sicher schleppte er genügend Seelenpein mit sich
herum, um auch mein Herz bluten zu lassen.
    Wie dem auch sei, ich hatte keine Zeit
mitzuspielen und ihn so abzuschütteln. »Danke, Mike. Das wäre aber nicht nötig
gewesen.«
    »Doch. Ich habe Sie schäbig behandelt.
Bitte, sagen Sie, daß Sie die Beförderung annehmen. Ohne Sie wäre All Souls
nicht mehr, was es war.«
    Trotz Glorias Mißerfolg hielten sie an
ihrer Alles-oder-nichts-Taktik fest. »Wie ich Ihnen allen schon auf der
Gesellschaftersitzung sagte, werde ich das Angebot ernsthaft prüfen.« Es war
ihm anzusehen, daß er hereingebeten werden wollte, also fügte ich hinzu: »Wir
werden bestimmt noch einmal darüber sprechen, aber im Augenblick habe ich
Besuch...« Ich deutete in den Flur hinter mir.
    »Oh, tut mir leid. Ich wollte Sie nicht
stören. Denken Sie darüber nach.«
    »Auf jeden Fall, Mike. Und noch einmal
vielen Dank für die Blumen.«
    Er nickte und ging die Stufen hinunter,
die Hände tief vergraben in den Taschen seiner Jacke.
    Ich trug die Nelken in die Küche,
stellte sie in eine Vase und hängte einen Zettel daran. Rae sollte sie mit zu
sich nach Hause nehmen und sich daran freuen. Ich packte meine Reisetasche
fertig und dazu eine große Umhängetasche, die ich selten benutzte. Es war
sieben nach sieben. Vielleicht, aber nur vielleicht, schaffte ich die
Acht-Uhr-Maschine gerade noch.
     
    Die Maschine war ziemlich voll, und
meine Reisetasche wollte partout nicht in das Gepäckfach über dem Sitz passen.
Schließlich quetschte ich sie zwischen zwei andere Taschen, die als Bordgepäck
eigentlich viel zu groß waren. Bei dieser Aktion wäre ich einmal meinem
rechten, einmal meinem linken Nachbarn beinahe auf den Schoß gefallen. Ich murmelte
eine Entschuldigung, setzte mich endlich, lehnte mich zurück, schloß die Augen
und

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